Das Tarifeinheitsgesetz : „Ja, aber…..“

Quelle: Pressemitteilung Nr. 57/2017 vom 11. Juli 2017-07-12

Das umstrittene Tarifeinheitsgesetz wurde von Arbeitsministerin Andrea Nahles vor rund zwei Jahren initiiert. Es regelt Konflikte im Zusammenhang mit der Geltung mehrere Tarifverträge in einem Betrieb. Das Gesetz ordnet an, dass im Fall der Kollision der Tarifvertrag derjenigen Gewerkschaft verdrängt wird, die weniger Mitglieder im Betrieb hat und sieht ein gerichtliches Beschlussverfahren zur Feststellung dieser Mehrheit vor. Der Arbeitgeber muss die Aufnahme von Tarifverhandlungen den anderen tarifzuständigen Gewerkschaften bekannt geben und diese mit ihren tarifpolitischen Forderungen anhören. Selbige können sich dann dem Mehrheitstarifvertrag nachträglich anschließen.

Die Regierung will dadurch verhindern, dass sich Spartengewerkschaften im Konkurrenzkampf um Mitglieder mit immer höheren Forderungen und drastischeren Streiks übertreffen. Mit den gestern durch das BVerfG entschiedenen ersten 5 von insgesamt 11 anhängigen Verfassungsbeschwerden wenden sich Berufsgruppengewerkschaften, Branchengewerkschaften, ein Spitzenverband sowie ein Gewerkschaftsmitglied unmittelbar gegen das Tarifeinheitsgesetz und rügen vornehmlich eine Verletzung der Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs.3 GG), da die kleineren Gewerkschaften wie z.B. der GDL (Gewerkschaft der Deutschen Lokomotivführer), Marburger Bund (Ärztegewerkschaft) etc. dadurch geschwächt werden und sich in ihrer Macht bedroht fühlen. Aus ihrer Sicht wird das Streikrecht faktisch ausgehöhlt und damit die Durchsetzungskraft der Gewerkschaften begrenzt.

Der Erste Senat des BVerfG hat mit zwei Gegenstimmen der Mitglieder (Richter Paulus und Richterin Baer) entschieden, dass die Regelungen des Tarifeinheitsgesetzes weitgehend mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Die Auslegung und Handhabung des Gesetzes muss allerdings der in Art. 9 Abs. 3 GG grundrechtlich geschützten Tarifautonomie Rechnung tragen; darüber haben die Arbeitsgerichte zu entscheiden. Das Gesetz sei insoweit unvereinbar mit der Verfassung, als Vorkehrungen dagegen fehlen, dass die Belange der Angehörigen einzelner Berufsgruppen oder Branchen bei der Verdrängung bestehender Tarifverträge einseitig vernachlässigt werden. Da muss der Gesetzgeber bis zum 31.Dezember 2018 Abhilfe durch eine Neuregelung des Gesetzes schaffen. Bis dahin darf ein Tarifvertrag im Falle einer Kollision im Betrieb nur verdrängt werden, wenn

„plausibel dargelegt ist, dass die Mehrheitsgewerkschaft die Belange der Angehörigen der Minderheitsgewerkschaft ernsthaft und wirksam in ihrem Tarifvertrag berücksichtigt hat.“

Das BVerfG sorgt somit dafür, dass auf die Arbeitsgerichte in Zukunft viel Arbeit zukommen wird. Sie müssen zum einen dafür sorgen, dass kein Arbeitnehmer Zusagen verliert, auf die er bei der Lebensplanung vertraut hat (z.B. Altersvorsorge, Arbeitsplatzsicherung etc.). Zum anderen sollen sie das Gesetz bei Streiks so auslegen, dass es mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

 

Dr. Cornelia Grundmann

Fachanwältin für Arbeitsrecht