Von Asja Rieder

 

Dass der Megatrend das System verwandelt steht mittlerweile fast völlig außer Frage.

Stern, Spiegel, Fokus- ja sogar die Bild Zeitung berichten über den Einsatz hochmoderner  Technologien und deren Auswirkung auf die Arbeitswelt.

Geschäftsführungen sprechen von Trainee-Programmen, Assessment- Centern oder führen Arbeitsplatzbezeichnungen ein, die der Einzelne nicht einmal versteht. Experten für hausinterne Schulungen werden in den Betrieb geholt und Mitarbeiter werden auf Seminare geschickt.

Doch viele dieser Mitarbeiter fühlen sich überrannt und überfordert, wissen oftmals nicht, wie sie auf den Zug der fortschreitenden Entwicklungen aufspringen sollen. Verstehen nicht warum plötzlich kein Deutsch mehr gesprochen wird in den Führungsriegen.

Das Tempo in denen die Veränderung auftreten ist derzeit alles andere als langsam.

Wie lässt sich also gerade hier der Weg finden, Ängste und Sorgen zu minimieren?

 

Nüchtern betrachtet sind oben genannte Schlagworte erstmal gar nichts anders als ein Pseudoweckruf der Unternehmensberatungen, ein Marketing Schachzug der zugegebener Maßen sogar tatsächlich ziemlich clever ist.

Dennoch gibt es sie, diese Veränderungen und sie erfordern Anpassungen im Arbeitsalltag.

Veränderung bedeutet an dieser Stelle erst einmal nicht mehr als alte Grenzen aufzuweichen und sich neuen Herausforderungen zu stellen. Dass hierbei anfangs Startschwierigkeiten auftreten können ist völlig klar, sollte jedoch nicht dazu führen, den Kopf in den Sand zu stecken und sich irre machen zu lassen.

Doch liest man sie, die einschlägigen Artikel der Fachzeitschriften fällt es nicht so leicht, die Ruhe zu bewahren. Man liest von Veränderungsblockaden und Stellenabbau, von Angst um den eigenen Arbeitsplatz, von einer ungewissen Zukunft und von Überforderung.

 

Wirft man einen Blick in die Geschichtsbücher stellt man fest, so ein ähnliches Szenario gab es durchaus schon einmal in der Vergangenheit. Damals hieß es nur nicht Digitalisierung sondern Industrialisierung. Nicht umsonst wird heute in gekonnter Fortschreibung von Industrialisierung 4.0 gesprochen.

Industrialisierung bedeutete, dass viele Produkte nicht mehr mit der Hand sondern mit Maschinen hergestellt wurden.

Schon damals kam es zu Arbeitslosigkeit, Sitzblockaden und Maschinenstürmen auf Seiten der Arbeiter. Ja, wird der ein oder andere Geschichtskundige jetzt anmerken, deswegen sind ja alle so skeptisch.

Richtig, die Parallelen sind nicht zu übersehen. Wieso aber, nutzen wir nicht die Erkenntnisse die die Menschheit in der damaligen Situation gewinnen konnten?

Verfolgt man die Entwicklung weiter wird man feststellen, dass sich an Zeiten der Arbeitslosigkeit, Zeiten des wirtschaftlichen Wachstums anschlossen. Das Ganze hatte sich also Widererwarten positiv entwickelt.

Nachdem Arbeitsplätze den Maschinen zum Opfer gefallen waren, wurden neue Arbeitsplätze geschaffen, um die Maschinen zu warten und zu optimieren und um sie in Masse bauen zu können.

Die Industrialisierung führte letztendlich dazu, dass zwar Arbeitsplätze in ihrer ursprünglichen Form wegfielen, aber auch dazu, dass völlig neue Aufgabenbereiche geformt wurden und gerade diese wieder neue Arbeitsplätze schufen.

Motto damals wie heute ist daher: Arbeit fällt weg, verändert sich und entsteht an anderer Stelle neu. 

Dieses Wissen sollte also dazu führen, dass wir die Situation nicht völlig schwarz malen. Die Digitalisierung hat durchaus auch ihre positiven Seiten.

 

Natürlich gibt es aber auch Nachteile.

Auf der einen Seite steigern die technischen Möglichkeiten die Produktionszahlen, beschleunigen die einzelnen  Arbeitsabläufe und sorgen – gut eingesetzt – für sehr gute Wirtschaftlichkeit. Auf der anderen Seite verringern sie aber den Freiraum des einzelnen Mitarbeiters, sorgen für extreme Transparenz – im Guten wie im Schlechten – und üben enorme Kontrolle aus.

Gerade an dieser Stelle wird deutlich, die neuen Technologien wirken in einigen Bereichen durchaus positiv aus müssen aber in anderen Bereichen trotz und Alledem die gesetzlichen Grenzen wahren. So müssen zum Beispiel die Gesetze zum Thema Datenschutz eingehalten werden.

Hier ist es also absolut unerlässlich, dass der Betriebsrat entsprechend geschult und informiert wird oder ist, um von Vornherein ungerechtfertigte Eingriffe in die Privatsphäre der Mitarbeiter verhindern zu können.

Für die Organe der Mitarbeitervertretung wie Betriebsrat und Co. heißt das letztendlich also nichts anderes als sich ihrer Möglichkeiten im neuen Umfeld bewusst zu werden und zu verstehen wo bis dato unbekannte Hürden lauern können.

Und vor allem eins: Die Möglichkeiten zu kennen, in denen aktiv mitgewirkt und noch viel wichtiger, wirklich echt mitbestimmt werden kann, denn grundsätzlich muss der Arbeitgeber stets damit rechnen, dass der Betriebsrat seine Beteiligung in einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit verlangt und ggf. auch gerichtlich durchzusetzen sucht (BAG v. 28.8.2007 – 1 ABR 70/06).

Dazu im Folgenden ein paar illustrierende Beispiele:

 

Beispiel 1:

Die Unternehmung führt ein neues Servicemodul ein. Statt wie bisher mit einem Mitarbeiter eine Vertragsänderung an der Hotline gemeinsam zu besprechen, können sich die Kunden selbständig durch ein Menü klicken. Im Bedarfsfall kann über einen Help-Button ein Mitarbeiter direkt angeschrieben werden.  Die Änderung bedingt, dass alle Callcenter Mitarbeiter knapp 40% weniger aktive Telefonzeit haben. Auf Sicht werden nach vorläufiger Planung ¼ der Mitarbeiter abgebaut werden.

Möglichkeiten des Betriebsrats:

Im oben genannten Beispiel möchte der Arbeitgeber die Tätigkeitsfelder seiner Mitarbeiter aktiv um 40% verändern, dies ist klar abzugrenzen von den Fällen in denen der Arbeitgeber die bloße Anpassung der Tätigkeitsbeschreibung durchführen will. Handelt es sich bei den Veränderungen um wesentliche Änderungen, sind sie als Versetzungen i.S.d. §99 Abs. 1 BetrVG anzusehen.

Die juristische Daumenregel zur Beurteilung der Frage ob eine Änderung i.S.d. § 99 BetrVG vorliegt, orientiert sich am Umfang der inhaltlichen (Vertrags) Änderung im Einzelfall. Erfolgt eine Veränderung der vertraglichen Inhalten um ca. 20% kann in den meisten Fällen eine Änderung i.S.d. § 99 BetrVG bejaht werden. Bei der oben genannten Änderung um 40% liegt also unstreitig ein Fall des § 99 BetrVG vor.

Der Arbeitgeber darf diese Versetzungen somit erst nach Anhörung und Zustimmung des Betriebsrates durchführen.

Durch die Einführung des neuen Servicemoduls werden 25% der Mitarbeiter abgebaut. Die Recht­spre­chung sieht einen solcher Per­so­nal­ab­bau als Ein­schränkung des gan­zen Be­triebs oder we­sent­li­cher Be­triebs­tei­le im Sin­ne von § 111 Satz 3 Nr. 1 Be­trVG an, sofern die ge­plan­te Ent­las­sungs­wel­le ei­ne aus­rei­chend große An­zahl von Ar­beit­neh­mern be­trifft.

Sind in Betrieben mit bis zu 500 Arbeitnehmern mehr als 10% betroffen oder in Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmern mehr als 5% der Belegschaft betroffen, gelten die Voraussetzungen als gegeben. Im oben genannten Beispiel sind 25% der Belegschaft betroffen. Bei dem vorliegend geplanten Stellenabbau handelt es sich folglich um eine Betriebsänderung i.S.d. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG, sodass der Betriebsrat rechtszeitig und umfassend über die geplante Betriebsänderung zu unterrichten ist. Der Arbeitgeber muss mit dem Betriebsrat verhandeln und ein Interessenausgleich und Sozialplan sind abzuschließen.

Außerdem könnte es sich bei der Einführung des Servicemoduls um eine Organisationsänderung i.S.d. § 111 Satz 3 Nr. 5 BetrVG handeln, sodass auch hier die vorstehenden Ausführungen gelten..

 

Beispiel 2:

Die Mitarbeiter sollen in bestimmten Bereichen ein Angebot für ein Home-Office (heimbasierte Telearbeit) erhalten.

Möglichkeiten des Betriebsrats:

Die Einführung oder die Kündigung von heimbasierter Telearbeit stellt grundsätzlich eine Versetzung dar, die ohne die Zustimmung des Betriebsrats nicht einseitig vom Arbeitgeber veranlasst werden darf (§ 95 Abs. 3 BetrVG, LAG Düsseldorf v. 10.9.2014 – 12 Sa 505/14).

I.S.d § 90 BetrVG ist der Betriebsrat bereits im Planungsstadium zur Einführung von heimbasierter Telearbeit zu unterrichten. Der Arbeitgeber hat mit dem Betriebsrat die vorgesehenen Maßnahmen und ihre Auswirkungen auf die Arbeitnehmer, insbesondere auf die Art ihrer Arbeit sowie die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Arbeitnehmer so rechtzeitig zu beraten, dass Vorschläge und Bedenken des Betriebsrats bei der Planung berücksichtigt werden können.

Auch hier gilt in Beispiel 1 Beschriebenes: Sind ausreichend Mitarbeiter betroffen liegt hier ebenfalls eine Organisationsänderung i.S.d. § 111 S. 3 Nr. 5 BetrVG vor.

 

Beispiel 3:

Der Außendienst soll nur noch sogenannte Premiumkunden besuchen. Das einfache Geschäft bis zu einem Umsatz von 10tsd € soll nicht mehr über Kundenbesuche, sondern ausschließlich online abgewickelt werden. Hierdurch vergrößern sich die Einsatzgebiete um 30%.

Möglichkeiten des Betriebsrats:

Einseitig kann Ihr Arbeitgeber Änderungen nur vornehmen, wenn diese vom Direktionsrecht erfasst sind.

Erfolgt eine Veränderung des Vertragsinhaltes um ca. 20% kann in den meisten Fällen eine Änderung i.S.d. § 99 BetrVG bejaht werden. Bei der oben genannten Änderung um 30% liegt ein solcher Fall des § 99 BetrVG vor. Die Maßnahme käme dann einer Versetzung gleich.Der Arbeitgeber darf diese Maßnahme erst nach Anhörung und Zustimmung des Betriebsrates durchführen.

Kommt es durch die Erweiterung der Einsatzgebiete zu Personalplanungen ist der Betriebsrat i.S.d § 92 Abs. 1 BetrVG rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Er ist dann befugt dem Arbeitgeber Vorschläge für die Einführung einer Personalplanung und ihrer Durchführung zu machen vgl. § 92 Abs. 2 BetrVG.

Weiterhin ist der Betriebsrat gem. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitbestimmungspflichtig sofern es um die Verhütung von Arbeitsunfällen geht. Eine Vergrößerung des Einsatzgebietes erhöht die Fahrzeiten der einzelnen Außendienstmitarbeiter, sodass hier ein Themengebiet des betrieblichen Gesundheitsschutzes zu tragen kommen kann. Auch kann die Gebietsänderung einen (großen Einfluss) auf die Prämien / Provisionen haben, womit wir auch nach § 87 Abs. 1 Nr 10 und 11 BetrVG sind. In Gänze kann auch diese Maßnahme eine Betriebsänderung darstellen. Womit Interessenausgleich und Sozialplan zu verhandeln sind.

 

Beispiel 4:

Für die bessere Koordinierung des (technischen) Dienstes soll ein Ortungsprogramm eingeführt werden, um die Servicefahrzeuge besser den Kunden zuführen zu können.

Möglichkeiten des Betriebsrats:

Die Einführung eines Ortungsprogrammes stellt eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG dar. Der Arbeitgeber kann die geplante Maßnahme ohne die Zustimmung des Betriebsrates nicht durchsetzen.

Durch das Ortungsprogramm wird die abstrakte Möglichkeit zur Mitarbeiterüberwachung geschaffen,. Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vgl. § 87 Abs. 2 BetrVG.

Von der Mitbestimmung des Betriebsrates abgesehen, hat bei der Einführung von Ortungsprogrammen grundsätzlich eine Verhältnismäßigkeitsprüfung stattzufinden. Einschränkungen des Persönlichkeitsrechtes nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m Art 1 Abs. 1 GG sind nur unter bestimmten eng gefassten Voraussetzungen möglich. Dient die Ortung der Fahrzeuge wie beispielsweise bei den Feuerwehren, der schnelleren Zuführung von Einsatzfahrzeugen, ist die Maßnahme durch einen legitimen Zweck als verhältnismäßig anzusehen.

Im oben genannten Beispiel erscheint die Verhältnismäßigkeit fraglich.

 

Beispiel 5:

Der Arbeitgeber möchte die Mitarbeiter fit machen. Dafür soll eine Befragung zum aktuellen (Aus-)Bildungsstand und Fortbildungsbedarf durchgeführt und daraus ein umfassendes Schulungs- und Entwicklungsprogramm für alle Mitarbeiter geschaffen werden. Mit einem Programm „Fit for talk“ sollen alle Mitarbeiter ein besseres Englisch-Business erlernen und die Erreichung bestimmter „Sprachbausteine“ soll künftig Voraussetzung für Leitungspositionen sein.

Möglichkeiten des Betriebsrats:

Gem. § 94 Abs. 2 BetrVG ist eine Maßnahme mitbestimmungspflichtig, wenn es um die Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze geht.

Im oben genannten Beispiel soll die Erreichung bestimmter Sprachbausteine künftig Voraussetzung für Leitungspositionen sein. Dies stellt eine Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze i.S.d. § 94 Abs. 2 BetrVG dar. Diese bedürfen der Zustimmung des Betriebsrates. Kommt eine Einigung nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle.

Weiterhin haben Arbeitgeber und Betriebsrat im Rahmen der betrieblichen Personalplanung und in Zusammenarbeit mit den für die Berufsbildung und den für die Förderung der Berufsbildung zuständigen Stellen, die Berufsbildung der Arbeitnehmer zu fördern. Der Arbeitgeber hat auf Verlangen des Betriebsrats den Berufsbildungsbedarf zu ermitteln und mit ihm Fragen der Berufsbildung der Arbeitnehmer des Betriebs zu beraten. Hierzu kann der Betriebsrat Vorschläge machen, § 96 BetrVG.

Arbeitgeber und Betriebsrat haben darauf zu achten, dass unter Berücksichtigung der betrieblichen Notwendigkeiten den Arbeitnehmern die Teilnahme an betrieblichen oder außerbetrieblichen Maßnahmen der Berufsbildung ermöglicht wird. Sie haben dabei auch die Belange älterer Arbeitnehmer, Teilzeitbeschäftigter und von Arbeitnehmern mit Familienpflichten zu berücksichtigen vgl. hierzu § 96 Abs. 1 + 2 BetrVG. Kommt es zu den einzelnen Maßnahmen der Fortbildung, besteht Mitbestimmung nach § 98 BetrVG.