Dr. Grundmann – Newsletter vom 31. August 2016

Faule Emanzen auf den Bürofluren und ihre sozialismusverliebte Ministerin – sorgen für Unfrieden in den Betrieben 😉 – Unwirksame Betriebsvereinbarung – Umdeutung in Gesamtzusage BAG – 3 AZR 960/13 – 65 und Tüss? – BAG 7 AZR/68/14 – Was? Darum zum BAG? Anspruch des Betriebsrats auf separaten Telefon- und Internetanschluss? BAG – 7 ABR 50/14 – Dein Verzicht, ficht mich nicht an – BAG 8 AZR 194 / 14 – Nicht trommeln, nicht pfeifen und auch keine Mail – strenge Schriftform für die Elternzeit – BAG – 9 AZR 145/15 – Dafür musst Du blechen – Schmerzensgeld vom Arbeitgeber? LAG Rheinland-Pfalz 5 Sa 72/14 –  „Aufhebung“ und „geschwollene Füße“ – LAG Berlin-Brandenburg – 9 Sa 2236/15 – Wirksamkeit eines Prozessvergleichs; Anfechtung wegen arglistiger Täuschung [Verschweigen von Tatsachen]; Rücktritt wegen Insolvenz des Arbeitgebers – Fensterln in der eigenen Hütten` – Dein Problem – Landessozialgericht Baden Württemberg 3 U 3933/15 – Nach langem Leiden gibt’s eher den Betriebsrat und 47,9

„Wer hätte gedacht, dass die Konterrevolution ausgerechnet in Moskau ausbricht“ – MARGOT HONECKER

und

Goldene Worte vom gerade verstorbenen Ex-Präsidenten des BAG´s Dietrich – und ach, wenn sie doch alle so denken täten – seufz:

„Auf dem Weg zur Rechtserkenntnis fragt man nicht nach richtig oder falsch, sondern nach bedenkenswert und vertretbar oder unplausibel und unergiebig. Verachtenswert sind die „Richtig-oder-Falsch-Juristen. Nur Entscheidungen, die auch gegensätzliche Positionen auffangen, schaffen auf Dauer Rechtsfrieden und Rechtssicherheit“.

In diesem Sinne wie immer ein fröhliches Lesen mit Augenzwinkern.

Faule Emanzen auf den Bürofluren und ihre sozialismusverliebte Ministerin – sorgen für Unfrieden in den Betrieben 😉

Nein, nicht von mir – auch wenn ich ein loses Mundwerk habe. Ersteres kommt aus den sozialen Netzwerken. Den Unfrieden quatschen die Arbeitgeberverbände BDA und BDI herbei. Worum geht’s eigentlich? Die Lohnlücke, der „Gender_Gap“ zwischen Mann und Frau. Ähnlich starker Gegenwind wie bei dem AGG tost nun der Gesetzesinitiative der Frau Schwesig entgegen. Aber schauen wir mal auf die Fakten: die sind zunächst nicht 100%valide, aber klar ist, dass es um die 20% sind. Klar ist auch, dass nicht jeder Unterschied gleich Diskriminierung bedeutet, aber auch andererseits nicht jede statistisch nachvollziehbare Erklärung Diskriminierungsfreiheit bedeutet. Legt man zunächst dar, wie die Entgeltkriterien auf betrieblicher Ebene aussehen, lässt sich die Diskussion auf Sachebene starten.

Und vielleicht lässt sich auch mal ein Blick auf eine soziologische Besonderheit werfen: Männer sind einfach unverschämter – ja, so sind wir. Und Frechheit siegt ja bekanntlich (nicht selten). Ich will das, das steht mir zu – ich bin besser als der / die. Stärke, Durchsetzungsvermögen sind Dinge, die uns Jungs mit auf den Weg gegeben werden. Die Pole Position ist uns aktuell noch ein gutes Stück anerzogen, so lange wir für den Bodycheck beim Sport noch ein lobendes Schulterklopfen von Vati bekommen. Spannend wäre zu fragen – losgelöst vom Geschlecht: Wie ist die Lohnentwicklung bei freundlich und bescheidenen Menschen;-)? Jedenfalls begrüßten mich gestern meine Mädels bei der Kitaabholung lautstark wie folgt: „Jungs sind Quark, Mädchen sind stark….“. Hoffnung keimt J.

Unwirksame Betriebsvereinbarung – Umdeutung in Gesamtzusage  

BAG – 3 AZR 960/13

Kläger und (ehemaliger) Arbeitgeber streiten über den Anspruch – der Höhe nach – auf eine Betriebsrente. Dem lag folgende Regelung zugrunde:

Bei den verschiedenen Gesellschaften der Versicherungsgruppe bestanden Betriebsräte. Diese in den unterschiedlichen Unternehmen gewählten Betriebsräte bildeten eine gemeinsame Verhandlungsgruppe, welche von allen Beteiligten als „Gesamtbetriebsrat“ bezeichnet wurde. Ihr ahnt, worin das Problem bestehen wird….  Dieser Gesamtbetriebsrat war eben kein Gesamtbetriebsrat nach § 47 BetrVG, sondern ein in der Unternehmensgruppe existierendes Irgendetwas. Es gab auch keine tarifliche Regelung (geht nach § 3 Abs.1 b) BetrVG), die dieses dem BetrVG fremde Konstrukt als verhandlungs- und abschlussberechtigtes Gremium anerkannte. Gleichwohl schloss dieser Gesamtbetriebsrat mit den Gesellschaften der Versicherung eine Betriebsvereinbarung zur Abänderung der Versorgungsordnung. Nach dieser erhielt der Kläger ab 2006 eine Betriebsrente iHv 651,89€. Im September 2008 erhob der Kläger auf die Leistung einer Betriebsrente iHv, künftig 710,33€ und Zahlung der rückständigen Beträge. Er begründete dieses damit, dass die Änderung der alten Versorgungsordnung durch die BV unwirksam sei. Und jetzt pass auf: das ArbG hat statt gegeben, das LAG hat das Urteil aufrecht erhalten, das BAG hat das Urteil aufgehoben und zur Neuverhandlung an das LAG zurück verwiesen. Daraufhin hat das LAG die Klage abgewiesen (!). Der Kläger ist wieder in die Revision zum BAG, welches die Entscheidung des LAG aufgehoben und mit Maßgabe der folgenden Erwägungen wiederum zur Neuverhandlung an das LAG zurück verwiesen hat (aaaaaaaahhhh). Die BV – so das BAG ist unwirksam, weil auf Betriebsratsseite mit dem Gesamtbetriebsrat ein Gremium gehandelt hat, dass vom BetrVG nicht vorgesehen ist. Aber: man kann auch im Betriebsverfassungsrecht eine Regelung durch eine sog „Umdeutung retten“.

Eine Umdeutung einer unwirksamen Betriebsvereinbarung in eine Gesamtzusage nach § 140 BGB ist möglich, wenn hinreichende Anhaltspunkte für einen entsprechenden hypothetischen Verpflichtungswillen des Arbeitgebers bestehen. Das ist nur dann der Fall, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, der Arbeitgeber habe sich unabhängig von einer Betriebsvereinbarung in jedem Falle  verpflichten wollen, seinen Arbeitnehmern die in dieser vorgesehenen Leistungen zu gewähren. Der Umdeutung von Betriebsvereinbarungen über Leistungen der betrieblichen Altersversorgung steht keine gegenüber Betriebsvereinbarungen erschwerte Abänderungsmöglichkeit der Gesamtzusage entgegen; sie entsprechen sich im Wesentlichen.

65 und Tüss? – BAG 7 AZR/68/14

Die Formulierung im Arbeitsvertrag lautete: „Das Anstellungsverhältnis endet mit Vollendung des 65. Lebensjahres, ohne dass es einer Kündigung bedarf“.

Dagegen wendet sich der Kläger und fuhr vermeintlich schwere Geschütze auf: Die Altersgrenze sei nicht sachlich gerechtfertigt, weil sie an die Vollendung des 65. Lebensjahres anknüpfe. Ein Bezug zur Regelaltersgrenze (die jahrgangsabhängig unterschiedlich ist) sei nicht erkennbar, eine etwaige Unklarheit dieser AGB gehe zu Lasten des Arbeitgebers. Die Befristung sei aber auch dann unwirksam, wenn sie als eine auf das Erreichen der Regelaltersgrenze bezogene Altersgrenze zu verstehen sei. Sie sei überraschend und benachteilige den Kläger unangemessen. Bei Vertragsschluss sei absehbar gewesen, dass er Kläger mit seiner Vergütung oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze durch eine gesetzliche Rente nicht wirtschaftlich abgesichert sein werde. Die Befristungsabrede verstoße zudem gegen das Verbot der Altersdiskriminierung.

Das sah das BAG anders: denn eine Altersgrenze, die in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag, nach der das Arbeitsverhältnis mit der Vollendung des 65. Lebensjahres enden soll, ist nach der Anhebung des Regelrentenalters regelmäßig dahin auszulegen, dass das Arbeitsverhältnis erst mit der Vollendung des für den Bezug einer Regelaltersrente maßgeblichen Lebensalters enden soll. Auch stellt die Beendigung aufgrund des Rechts auf Bezug einer Regelrente eine sachliche Rechtfertigung dar. Denn es bestehe eine Absicherung aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Dabei kommt es NICHT auf die konkrete wirtschaftliche Absicherung des Arbeitnehmers bei Erreichung der Altersgrenze an. Letztlich liege auch keine Altersdiskriminierung entgegen dem AGG vor. Denn mit der Altersgrenze werde ein legitimes Ziel verfolgt. Es handele sich um ein Instrument der nationalen Arbeitsmarktpolitik, mit dem über eine bessere Beschäftigungsverteilung zwischen den Genrationen der Zugang zur Beschäftigung gefördert werde. Mit solchen Maßnahmen verfolgen die Mitgliedstaaten ein legitimes Ziel im Bereich der Sozial- oder Beschäftigungspolitik

Was? Darum zum BAG? Anspruch des Betriebsrats auf separaten Telefon- und Internetanschluss? BAG – 7 ABR 50/14  

Ne, natürlich nicht! Der Arbeitgeber ist grundsätzlich weder dazu verpflichtet, dem Betriebsrat unabhängig von seinem Netzwerk einen Zugang zum Internet zur Verfügung zu stellen, noch muss er für den Betriebsrat einen von seiner Telefonanlage unabhängigen Telefonanschluss einrichten. Der Betriebsrat kann zwar einen Telefonanschluss und, sofern berechtigte Belange des Arbeitgebers nicht entgegenstehen, die Eröffnung eines Internetzugangs und die Einrichtung eigener E-Mail-Adressen verlangen, ohne deren Erforderlichkeit zur Wahrnehmung konkret anstehender betriebsverfassungsrechtlicher Angaben darlegen zu müssen. Diese Ansprüche kann der Arbeitgeber aber durch Nutzungsgewährung innerhalb eines bestehenden Kommunikationssystems erfüllen. Allein aufgrund der abstrakten Gefahr einer missbräuchlichen Ausnutzung der technischen Kontrollmöglichkeiten durch den Arbeitgeber darf der Betriebsrat einen separaten Telefonanschluss und Internetzugang nicht für erforderlich halten.

Dein Verzicht, ficht mich nicht an – BAG 8 AZR 194 / 14

Der Arbeitgeber hatte entgegen §§ 81 I, 95 II SGB IX die Schwerbehindertenvertretung nicht beteiligt. Das begründet nach Ansicht des BAG ein Indiz i.S.d. § 22 AGG, das mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lässt, dass der schwerbehinderte Bewerber wegen der Behinderung benachteiligt wurde. Besteht zu Vorstehendem eine abweichende Vereinbarung mit der Schwerbehindertenvertretung dahingehend, dass diese nur über die in die nähere Auswahl kommenden Bewerber zu informieren ist, lässt das die Pflicht des Arbeitgebers, die Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen, nicht entfallen.

Nach § 81 Abs. 1 Nr. 10 SGB IX kann nur der schwerbehinderte Bewerber auf eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung verzichten. Die Schwerbehindertenvertretung hat kein Recht auf einen Beteiligungsverzicht.

Nicht trommeln, nicht pfeifen und auch keine Mail – strenge Schriftform für die Elternzeit – BAG – 9 AZR 145/15 – 

Wer Elternzeit für den Zeitraum bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes beanspruchen will, muss sie nach § 16 Abs. 1 BEEG spätestens sieben Wochen vor Beginn der Elternzeit schriftlich vom Arbeitgeber verlangen und gleichzeitig erklären, für welche Zeiten innerhalb von zwei Jahren Elternzeit genommen werden soll.

Das Elternzeitverlangen erfordert die strenge Schriftform i.S.v. § 126 Abs. 1 BGB und muss deshalb von der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer eigenhändig durch eigenhändige Namensunterschrift (kein Fax, kein pdf) oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden. Ein Telefax oder eine E-Mail – ersteres hatte unsere Klägerin gewählt – wahrt die von § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG vorgeschriebene Schriftform nicht und führt gemäß § 125 Satz 1 BGB zur Nichtigkeit der Erklärung. Damit war auch der nach dem BEEG bestehende Kündigungsschutz (§ 18 BEEG) nicht gegeben, weshalb die Kündigung des Rechtsanwaltes gegenüber seiner Rechtsanwaltsfachgehilfin wirksam war.

Nur in Ausnahmefällen kann sich ein Arbeitgeber aufgrund der Besonderheiten des konkreten Falls treuwidrig (§ 242 BGB) verhalten, wenn er sich darauf beruft, dass das Schriftformerfordernis des § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG nicht gewahrt sei. Dazu bedarf es aber des Vorliegens besonderer Umstände.

Dafür musst Du blechen – Schmerzensgeld vom Arbeitgeber? LAG Rheinland-Pfalz 5 Sa 72/14

Im Arbeitsverhältnis wird ANDERS gehaftet: Bei materiellen Schäden haftet der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber in Abhängigkeit von seinem Verschulden, sofern der Schaden anlässlich einer betrieblichen Tätigkeit eingetreten ist. Bei leichter Fahrlässigkeit („kann passieren“) haftet er nicht, bei mittlerer („musste das sein“) anteilig, bei grober Fahrlässigkeit („Depp“) haftet er voll. Ebenso natürlich, wenn er vorsätzlich („mit Extra“) den Schaden herbeigeführt hat. Bei einem materiellen Schaden haftet der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer immer voll.

ABER: was ist, wenn der Mitarbeiter einen körperlichen Schaden erleidet? Einfach: Das Sozialgesetzbuch VII (Gesetzliche Unfallversicherung)  regelt einen Haftungsausschluss bei der Verursachung von Körperschäden durch den Arbeitgeber beim Arbeitnehmer und bei Arbeitnehmern untereinander – „fang mal den Hammer…“.-  nach den §§ 104, 105 SGB VII haftet der Arbeitgeber nur bei Vorsatz. Der Arbeitnehmer unterstellt dem Arbeitgeber einen sog. „bedingten Vorsatz“ (vereinfacht: er hätte damit rechnen müssen, dass der Schaden eintritt) und ist bislang vor dem Arbeits- und Landesarbeitsgericht unterlegen. Jetzt entscheidet die Revision beim Bundesarbeitsgericht.

„Aufhebung“ und „geschwollene Füße“ – LAG Berlin-Brandenburg – 9 Sa 2236/15 –

Schließen die Parteien zur Beendigung des Arbeitsvertrages einen Aufhebungsvertrag, kann dieser (bzw. die auf den Vertragsabschluss gerichtete Willenserklärung) unter den Voraussetzungen der §§ 119 ff. BGB angefochten werden. Die gilt insbesondere für den Fall, dass der Arbeitnehmer durch widerrechtliche Drohung zum Vertragsabschluss bestimmt worden ist (z.B. Drohung mit einer unberechtigten fristlosen Kündigung) oder er arglistig getäuscht wurde, § 123 BGB.

Als Grund für eine Anfechtung eines Aufhebungsvertrages bei gleichzeitigem Angebot eines anderen Arbeitsplatzes reicht es jedoch nicht aus, wenn sich der Arbeitnehmer ohne Täuschungshandlung oder Verletzung von Aufklärungspflichten des Arbeitgebers falsche Vorstellungen von diesem anderen Arbeitsplatz und den dortigen Arbeitsbedingungen gemacht hat.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1985 als Lagerist gegen eine Vergütung von knapp 2.100 Euro monatlich beschäftigt. Wegen eines Arbeitsplatzabbaus im bisherigen Beschäftigungsbereich des Klägers schlossen die Parteien im Februar 2015 einen Aufhebungsvertrag folgenden Inhalts:

  1. Die Parteien sind sich einig, dass das Arbeits-/Anstellungsverhältnis mit Ablauf des 28.02.2015 im gegenseitigen Einvernehmen beendet wird und dass sämtliche Ansprüche aus und in Verbindung mit dem Arbeits-/Anstellungsverhältnis und dessen Beendigung nicht mehr gegeneinander bestehen.
  2. Die Firmengruppe D. unterbreitet dem Beschäftigten ein Angebot auf Abschluss eines neuen Arbeits-/Anstellungsvertrages.
  3. Zeiten aus diesem aufgehobenen Arbeits-/Anstellungsverhältnis werden bei Wiedereinstellung für Ansprüche aller Art, die dem Grund oder der Höhe nach von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängen, angerechnet.
  4. Konkret wird Herrn T. ab 01.03.2015 im unmittelbaren Anschluss eine adäquate Tätigkeit in der D. Teile & Logistik GmbH – Nebenlager Berlin aufnehmen.

Am 1.3.2015 nahm er die Arbeit bei der D.-Teile & Logistik auf und erklärte elf Tage später die Anfechtung des Aufhebungsvertrages. Er habe feststellen müssen, dass er keine adäquate Tätigkeit erhalten habe, der neuen Tätigkeit sei er aus gesundheitlichen Gründen nicht gewachsen. Mit seiner Klage begehrt er die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten fortbestehe. Er habe nicht gewusst, was ihn erwarte. Er habe lediglich erklärt, er besitze Großhandelserfahrung und habe ermittelt, wie der neue Arbeitsplatz mit dem Fahrrad zu erreichen wäre. Der Besichtigungstermin sei auf den Nachmittag gelegt worden, weil man sich zu dieser Zeit kein Bild von der Arbeit habe machen können. Ihm sei nicht mitgeteilt worden, dass eine Stempeluhr existiere, er unter Druck arbeiten müsse und keine Sitzgelegenheit vorhanden sei. Bei Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages sei niemand vom Betriebsrat anwesend gewesen, um ihn zu überrumpeln. Er habe keine Gelegenheit gehabt, sich die Verträge vor Unterzeichnung durchzulesen und sei diese anschließend mit dem Betriebsrat durchgegangen. Aufgrund der Organisation des Lagers bei der D.-Teile & Logistik gebe es sehr lange Wege. Die Beklagte, die gewusst habe, was ihn dort erwarte, habe den neuen Arbeitsvertrag nicht anbieten dürfen, zumindest nicht ohne Rückabwicklungsklausel.

Dem folgt das LAG Berlin-Brandenburg nicht. Die Beklagte habe keine falschen Angaben über die neue Tätigkeit, die den Kläger erwartete, gemacht. Sie habe auch nicht treuwidrig wesentliche Aspekte der Arbeitsbedingungen verschwiegen. Der hierfür darlegungspflichtige Kläger habe bereits nicht konkret vorgetragen, welche bestimmten, bei ihm aktuell bei Abschluss des Aufhebungsvertrages vorliegenden Erkrankungen der Beklagten bekannt gewesen sein sollen. Hinsichtlich der von ihm genannten „geschwollenen Füße“ sei unklar, wann hier welche Erkrankung aufgetreten seien und weshalb die Beklagte hiervon gewusst haben soll.

Wirksamkeit eines Prozessvergleichs; Anfechtung wegen arglistiger Täuschung [Verschweigen von Tatsachen]; Rücktritt wegen Insolvenz des Arbeitgebers

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines gerichtlichen Vergleichs.

Die Klägerin war seit dem 1. September 1981 in einem Warenhaus der Beklagten beschäftigt. Zuletzt hatte sie die Stellung einer Abteilungsleiterin inne.

Im Herbst des Jahres 2008 deutete die Klägerin dem Geschäftsführer ihrer Filiale an, aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden zu wollen, um ihren Mann bei dessen beabsichtigter Selbständigkeit zu unterstützen. Im Januar 2009 erkrankte die Klägerin. Ab Februar 2009 führte sie mit dem Personalleiter der Beklagten Gespräche über ihr Ausscheiden. Sie signalisierte bereit zu sein, ihr Arbeitsverhältnis gegen eine Abfindung von 55.000,00 Euro zu beenden. Man kam überein, dass die Beklagte kündigen und man sodann einen gerichtlichen Vergleich protokollieren lassen würde. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 20. Mai 2009 zum 31. Dezember 2009. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage. In der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht schlossen die Parteien am 8. Juni 2009 folgenden Vergleich:

  1. „Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch ordentliche arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung vom 20. Mai 2009 fristgerecht mit dem 31. Dezember 2009 endet.
  2. Als Abfindung nur für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlt die Beklagte an die Klägerin entsprechend den §§ 9 , 10 KSchG einen Betrag iHv. 55.000,00 Euro brutto.
  3. Damit ist der Rechtsstreit beendet.“

Am 9. Juni 2009 stellte die Beklagte einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.  Mit Anwaltsschreiben vom 23. Oktober 2009 focht die Klägerin gegenüber dem Insolvenzverwalter den gerichtlichen Vergleich vom 8. Juni 2009 wegen arglistiger Täuschung an. Auf der Grundlage des Insolvenzplans hätte sie mit einer Quote von 3 v.H. der Vergleichsforderung zu rechnen.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit des Vergleichs und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht. Sie hat behauptet, sie habe den Vergleich im Vertrauen darauf geschlossen, der vorgesehene Abfindungsbetrag werde tatsächlich gezahlt. Die rechtlichen Folgen einer Insolvenz seien ihr nicht geläufig gewesen.   .

Eine arglistige Täuschung i.S.v. § 123 Abs. 1 BGB setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass der Täuschende durch Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen beim Erklärungsgegner einen Irrtum erregt und ihn hierdurch zur Abgabe einer Willenserklärung veranlasst hat. Dabei muss sich die Täuschung auf objektiv nachprüfbare Tatsachen beziehen. Die Äußerung subjektiver Werturteile genügt nicht. Eine Täuschung kann auch in dem Verschweigen von Tatsachen bestehen, sofern der Erklärende zu deren Offenbarung verpflichtet war. Das subjektive Merkmal „Arglist“ i.S.v. § 123 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn der Täuschende weiß oder billigend in Kauf nimmt, dass seine Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen oder mangels Offenbarung bestimmter Tatsachen irrige Vorstellungen beim Erklärungsgegner entstehen oder aufrechterhalten werden; Fahrlässigkeit – auch grobe Fahrlässigkeit – genügt insoweit nicht. Die Beweislast für das Vorliegen von Arglist trägt der Anfechtende. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin habe von der finanziell bedrängten Lage der Beklagten bei Abschluss des Vergleichs gewusst. Aus den Medien sei bekannt gewesen, eine Insolvenz der Beklagten sei möglich und würde nur durch staatliche Finanzhilfen abgewendet werden können. In dieser Lage habe die Klägerin nicht davon ausgehen können, die Zahlungsfähigkeit der Beklagten werde in der Folgezeit, jedenfalls für den Zeitraum bis zur Fälligkeit der Abfindung, gesichert sein.

Fensterln in der eigenen Hütten – Dein Problem – Landessozialgericht Baden Württemberg 3 U 3933/15

Die Arbeitnehmerin macht geltend, sie habe einen Arbeitsunfall erlitten. Sie war in einer Gasstätte beschäftigt und hatte für diese Einkäufe erledigt. Als sie sich mit diesen auf den Weg zur Arbeitsstätte machte, fiel ihr auf, dass sie den Schlüssel verloren hatte und machte sich auf den Heimweg, um einen Ersatzschlüssel zur Gaststätte zu holen. Daheim angekommen, rief sie einen Schlüsseldienst, um ins Haus zu gelangen. Dieser wollte die Tür auffräsen, was ihr zu kostspielig erschien. Also wählte sie den sportlichen Weg: sie wollte – wollte – durch ein angelehntes Fenster in die Wohnung einsteigen. In aller Kürze: Absturz mit Lendenwirbelbruch …..

Man glaubt´s ja kaum, aber sie erhielt eine Rente wegen Erwerbsminderung. ABER: die begehrte Entschädigungsleistung wegen des Arbeitsunfalls lehnte die Berufsgenossenschaft ab. Zwar sei ein betrieblicher Zusammenhang dadurch gegeben, dass der Arbeitgeber das Holen des Ersatzschlüssels verlangte, um Lebensmittelkäufe für die Gaststätte zu tätigen. Jedoch lasse das Einsteigen durch das Schlafzimmerfenster eine privatwirtschaftliche Handlungstendenz von überragender Bedeutung erkennen. Es standen nicht betriebliche Erfordernisse, sondern das Vermeiden von Beschädigung der Wohnungstür infolge Auffräsens durch den Schlüsseldienst im Vordergrund. Damit hat sich kein betriebliches, sondern ein den privaten Umständen zurechenbares Risiko verwirklicht.

Die spinnen doch. Der naheliegende Schluss, dass der nicht gerade üppig bezahlte Mitarbeiter der Kneipe den Schlüssel unter Schonung der ohnehin knappen Privatkasse holen will, kommt natürlich der bei etwa 6tsd und höher mtl. liegenden Kammer nicht in den Sinn –

Nach langem Leiden gibt’s eher den Betriebsrat und 47,9

Soziologen haben in einer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie untersucht, wie und warum, in welchen Betrieben, unter welchen Bedingungen und mit welchen Erfolgschancen neue Arbeitnehmervertretungen entstehen. Dafür haben sie 54 Betriebsratsgründungen in unterschiedlichen Branchen analysiert. Grundlage der Fallstudien sind ausführliche Interviews mit Arbeitnehmervertretern und Managern.

Den Forschern zufolge sind unter den untersuchten Fällen Krisengründungen in der Minderheit, es überwiegen die Reaktionen auf langwierige Mängel. Dies lasse vermuten, dass die Beschäftigten zahlreicher nicht mitbestimmter Betriebe zwar Interesse an einer Vertretung haben, dass jedoch „der letzte Funke, die richtigen Personen, die nötigen Informationen“ fehlen. Für eine erfolgreiche Gründung seien nicht nur tatkräftige und durchsetzungsfähige Sprecher nötig, sondern im Regelfall auch Hilfe von außen, also von Gewerkschaften oder Gesamtbetriebsräten – insbesondere wenn mit Schikanen durch das Management zu rechnen ist.

Ingrid Artus, Clemens Kraetsch, Silke Röbenack: Betriebsratsgründungen. Typische Phasen, Varianten und Probleme, in: WSI-Mitteilungen 3/2016. Download: http://media.boeckler.de/Sites/A/Online-Archiv/18565

Zum Thema Computersicherheit interviewten Forscher aus Deutschland und Luxemburg 1200 zufällig ausgewählte Passanten. Nach einigen harmlosen Fragen sollten diese ihr persönliches Passwort aufschreiben − im Gegenzug gab es eine Tafel Schokolade. 47,9 Prozent der Teilnehmer taten das. Was geht dann wohl bei einer Pommes oder einer Flasche Bier, wahlweise Prosi?

Good Night & Good Luck

Ihr, Euer Dr. Stephan Grundmann