Dr. Grundmann – Newsletter vom 23. März 2016

„Stift wech“ und die dt Alternative – Die (völlig unberechtigte) Unzufriedenheit des Mandanten… – Betriebsratsmitgliedsbeisitzer von Einigungsstellen anderer Betriebe des Arbeitgebers, ein Kündigungsgrund? BAG 2 ABR 38/14 – Darf der BR in Rente schicken?? Zugleich ein Lehrstück zum Verhältnis BV – TV BAG 1 AZR 853/13 – „Raus mit der Abmahnung“ sagt der BR und der Vorsitzende BAG 7 ABR 69/13 – Du sollst (bei der Kündigungsanhörung) nichts verschweigen -BAG – 2 AZR 15/15 – Bleib da, wo du wohnst? – LAG Rheinland-Pfalz 4 Sa 404/14 – Po an Po mit dem Kollegen? Mitbestimmung bei befohlenem Bettgenossen? LAG Hamm – 10 TaBV 73/04 – Kakerlake triff „dreckige Schweinedrecksau“: Boah – gut, dass ich Arbeitsrecht mache… Neues aus dem Mietrecht

 

„Stift wech“ und die dt Alternative

„Die Waffen nieder“ – nicht übertreiben, fangen wir doch erst mal mit der Pencil down Initiative an. Die Großbank JP Morgan Chase hat erkannt, dass der Double 24“ oder der simple „Overnighter“ nicht mehr von den Mitarbeitern als Zeichen erhabener Unentbehrlichkeit, sondern als Verschwendung von Lebenszeit angesehen wird. Und in Zeiten knapper Talente muss man auch irgendwelche Anreize bieten, ebendiese Jungen Talente an sich zu binden. Und da kommt die Initiative „Pencil down“ ins Spiel: frei übersetzt lautet das Motto „Stifte wech“ und meint, dass fortan nicht mehr an Samstagen und Sonntagen gearbeitet werden soll.

Unter der Woche lässt sich aber auch durch den dt. Arbeitnehmer locker Arbeitsvermeidung betreiben. Werden Sie antriebslos, schlurfend oder gar schlafend am Arbeitsplatz erwischt, murmeln Sie mit letzter Kraft „Systemic Exertion Intolerance Disease“, bevor Sie sich unter Sauerstoffzufuhr nach Hause oder in die Betty-Ford-Klinik fahren lassen. Übersetzt: Systemische Anstrengungsintoleranzkrankheit – da klingts im Englischen gleich viel besser. Nicht zu oft mit dem Krankheitsbild arbeiten. Sonst kommt der Arbeitgeber tatsächlich auf den Trichter, dass es sich um eine Studie bei Teenagern handelt, deren Ergebnisse noch reichlich umstritten sind. Aber es gilt ja der Grundsatz: „überzeugendes Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit“.

Die (völlig unberechtigte) Unzufriedenheit des Mandanten…

Vorne liegt mit 31%: „Hat mich nicht auf die Gefahren hingewiesen“, dicht gefolgt von „keine weiterführenden Informationen zu der Problemstellung, Probleme bei der Terminfindung, keine Unterstützung im weiteren Verlauf, keine Beratung darüber wie man das Problem lösen kann“.

Jaja, typisch Anwalt. Ne, das war ne Befragung von Patienten ;-). Aber hier wären die Antworten locker übertragbar. Fehlt an sich noch „Preise wie in der Apotheke“. Und tatsächlich. Der Anwalt ist schon recht vollmundig mit Sätzen wie: „machen Sie sich keine Sorgen, das Dingen bringen wir nach Haues, das kriegen wir durch / gewinnen wir (locker)“ und ganz furchtbar „lassen Sie mich nur machen“. DENKE DARAN: Du musst dem Anwalt IMMER auf dem Fuß stehen. Und der Satz:

„vor Gericht und auf hoher See“ …. kommt uns am Ende immer schnell von den Lippen….

Betriebsratsmitgliedsbeisitzer von Einigungsstellen anderer Betriebe des Arbeitgebers, ein Kündigungsgrund?  BAG 2 ABR 38/14

Der Mitarbeiter war Betriebsrat in einem Betrieb des Arbeitgebers. In einem anderen Betrieb, mit einem anderen Betriebsrat, gab es eine Einigungsstelle. Die setzt sich immer aus einer gleichen Zahl von Beisitzern (mindestens je 2) von Seiten des BR´s und des Arbeitgebers zusammen. Betriebsfremde Beisitzer können benannt werden. Die Besonderheit besteht darin, dass „betriebsfremde Beisitzer“ als Vergütung 7/10 von dem bekommen, was der Vorsitzende erhält (die „nehmen“ so zwischen 2.000 bis 5.000 pro Tag oder sogar mehr). Unser BR war also als Besitzer durch den anderen BR in der Einigungsstelle benannt worden und bekam natürlich extra $$´s dafür.

Im Oktober 2012 teilte er der Arbeitgeberin unter dem Briefkopf „Komparative Betriebsratsberatung“ und unter Angabe seiner Steuernummer und Bankverbindung mit, dass er am 9. November 2012 als Beisitzer einer Einigungsstelle für den Betrieb der Arbeitgeberin in A tätig sein werde und hierfür vorsorglich um ihr Einverständnis bitte, obwohl er die arbeitsvertragliche Klausel zu Nebentätigkeiten für unwirksam halte. Zugleich zeigte er an, zukünftig „im Nebenerwerb als Betriebsratsberater (als Pendant zum Unternehmensberater) tätig zu sein, und bat auch dafür vorsorglich um das Einverständnis der Arbeitgeberin. Außerdem erinnerte er an ein Begehren um Reduzierung und Verteilung seiner Arbeitszeit. Durch die Ablehnung erschwere ihm die Arbeitgeberin seine Nebentätigkeit „in einer freiberuflichen Gründungsphase“. Unter demselben Briefkopf stellte der Beteiligte zu 3. der Arbeitgeberin ein Honorar für die Tätigkeit als Mitglied einer in der Filiale in S bis Januar 2012 geführten Einigungsstelle in Höhe von 9.163,00 Euro in Rechnung. Die Arbeitgeberin leistete darauf keine Zahlung. Es folgten noch mehr Teilnahmen an Einigungsstellen im Unternehmen und entsprechende Rechnungsstellungen.

Das war dem Arbeitgeber ein solcher Dorn im Auge, das er dem Arbeitnehmer außerordentlich kündigen wollte. Das BAG hatte mit der Beisitzertätigkeit kein Problem. „Die Wahrnehmung des Amtes als Beisitzer von Einigungsstellen anderer Betriebe des Arbeitgebers ist grundsätzlich nicht geeignet, einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Betriebsratsmitglieds darzustellen. Dieses verletzt durch eine solche Beisitzertätigkeit für sich genommen nicht seine arbeitsvertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB. Für den Arbeitgeber wahrscheinlich unfassbar (unverschämt) aber rechtlich sauber.

Darf der BR in Rente schicken?? Zugleich ein Lehrstück zum Verhältnis BV – TV BAG 1 AZR 853/13

Betriebsrat und Arbeitgeber haben in einer BV geregelt, dass Mitarbeiter, die einen gesetzlichen Anspruch auf die Regelrente – also 65 und älter haben, automatisch aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden. Hierzu stellen sich zwei Fragen: Ist der BR für so etwas überhaupt zuständig oder ist es vielmehr Sache der Tarifparteien, hier durch TV tätig zu werden? Das lässt sich wie folgt beantworten:

„Kommt drauf´ an ;-)“.

Denn der Betriebsrat kann grundsätzlich Dinge regeln, die ihm gesetzlich durch die Mitbestimmung im BetrVG zugewiesen sind. Darüber hinaus kann er sog. freiwillige BV´en machen. Also auch Themen anfassen, die im BetrVG nicht ausdrücklich Gegenstand der Mitbestimmung sind. ABER: das geht nur, wenn diese nicht bereits in einem Tarifvertrag geregelt sind oder üblicher Weise geregelt werden. Wann ist das der Fall? Das ist ganz schön schnell der Fall. Denn es kommt nicht darauf an, ob in dem Betrieb, in dem die BV abgeschlossen wird, tatsächlich ein Tarifvertrag gilt. Die Frage muss vielmehr so gestellt werden: gilt ein Tarifvertrag? Und wenn nicht, im nächsten Schritt: wenn ihr einen hättet, welcher wäre das dann? Also entweder habe ich einen „echten“ und schaue in den oder ich muss mich fragen, welcher gelten würde, wenn der Betrieb sich tariflich binden würde und schaue in den. MERKE also: bei einer freiwilligen BV immer prüfen, ob der tatsächlich anzuwendende oder abstrakt anwendbare TV (die Tarifparteien regeln durch Satzung jeweils ihre Zuständigkeit und „schanzen“ sich die Tätigkeiten jeweils zu) das Thema regelt. Wenn das so ist = KEINE BV möglich. Das besagt § 77 Abs. 3 BetrVG. Das nennt sich Tarifvorrang oder Tarifsperre und sichert den Tarifparteien die Macht. Nur sie dürfen hier etwas regeln. Eine BV wäre unwirksam. Das gilt selbst dann, wenn die BV günstiger wäre. Der Tarifvorrang kann nicht durch das „Günstigkeitsprinzip ausgehebelt werden“.

Der Betrieb des Klägers war an den Tarifvertrag der IGBCE gebunden. Dieser enthielt keine Regelung zu einem Ausscheiden bei Erreichung der Altersgrenze, womit die BV nicht gegen § 77 Abs.3 BetrVG verstieß. Das Gleiche hätte gegolten, wenn es keinen Tarifvertrag gegeben hätte. In diesem Falle hätte geprüft werden müssen: welcher Tarifvertrag wäre der richtige, wenn der Arbeitgeber tarifgebunden wäre. Auch hier hätte man auf den IGBCE-TV abgestellt. Der eben nichts dazu enthielt, womit die BV wirksam wäre.

Dann war noch zu fragen, ob die BV evtl. gegen das AGG verstößt. Stichwort: Diskriminierung wegen des Alters. NEIN, denn §10 S.1 und 2 erlauben die in einer Altersgrenzenregelung nach S. 3 Nr. 5 enthaltene unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn dies objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung angemessen und erforderlich sind. Das sah das BAG als erfüllt an, die BV hielt.

„Raus mit der Abmahnung“ sagen der BR und der Vorsitzende BAG 7 ABR 69/13

Der Vorsitzende eines Betriebes im größeren Konzern sandte eine in seinem Betrieb abgeschlossene BV an alle konzernangehörigen Betriebsräte. Das fand der Arbeitgeber so „übel“, dass er dem Vorsitzenden eine Abmahnung mit dem Hinweise erteilte, dass er im Wiederholungsfalle eine Amtsenthebung einleiten werde oder er gar eine Kündigung erhalte. Dagegen gingen sowohl das Gremium als auch der Vorsitzende mit dem Begehren auf Entfernung aus der Personalakte vor. Die erste und zweite Instanz (ArbG und LAG Bremen, bekannt für arbeitnehmerfreundliche Entscheidungen) gaben den beiden den Anspruch auf Entfernung. Das BAG sah das differenzierter: aus dem Verbot der Betriebsratsbehinderung nach § 78 S. 1 BetrVG besteht kein Anspruch des Betriebsrats auf Entfernung aus der Personalakte des Vors. Denn es handele sich um ein höchstpersönliches Recht des betroffenen Betriebsratsmitglieds, das diesem und nicht dem Gremium zustehe. Der Vorsitzende hingegen hatte einen Anspruch auf Entfernung. Das hat das BAG (leider) ganz pfiffig gelöst. Es hat festgestellt, dass es „dahingestellt“ bleiben kann, ob der Vorsitzende durch das Versenden gegen seine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten verstoße habe. Denn der Arbeitgeber habe den Vorwurf einer Amtspflichtverletzung mit der Androhung einer Kündigung sanktioniert. Da keine arbeitsvertragliche Pflicht gerügt wurde, liegt in der Kündigungsandrohung eine unzutreffende rechtliche Bewertung des Verhaltens des Vorsitzenden durch die Arbeitgeberin. Die Verletzung von (lediglich) betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten berechtigt weder zur Abmahnung noch zur Kündigung.

Du sollst (bei der Kündigungsanhörung) nichts verschweigen BAG – 2 AZR 15/15

Bei der Unterrichtung über die Gründe für eine beabsichtigte Kündigung nach § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG darf der Arbeitgeber ihm bekannte Umstände, die sich bei objektiver Betrachtung zugunsten des Arbeitnehmers auswirken können, dem Betriebsrat nicht deshalb vorenthalten, weil sie für seinen eigenen Kündigungsentschluss nicht von Bedeutung sind

Der Kläger war seit 1998 als Produktionsmitarbeiter beschäftigt. Er war – nachdem er schon in den Jahren 2006 bis 2009 jährlich an zwischen 20 und 32 Tagen krankheitsbedingt gefehlt hatte – im Jahre 2010 erneut an 23 Arbeitstagen, im Jahre 2011 an mindestens 32,5 Arbeitstagen und im Jahre 2012 an 56 Tagen arbeitsunfähig erkrankt. Im Jahre 2009 und 2012 führte die Beklagte mit ihm Gespräche über seine Fehlzeiten. Auf ihre Veranlassung hin stellte sich der Kläger bei der Werksärztin vor. Er erkrankte danach erneut und bekam die Kündigung.

Der für uns wichtige Punkt: die AG habe den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört, sondern bewusst falsch unterrichtet. Zu Unrecht habe sie ihn dahin unterrichtet, er habe die ihm empfohlene Therapie abgebrochen. Auch sei es nicht die Werksärztin gewesen, die ihm empfohlen habe, einen Spezialisten für eine Schmerztherapie aufzusuchen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Unterrichtung des Betriebsrats sei auch dann nicht ordnungsgemäß iSd. § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, wenn der Arbeitgeber Umstände mitteile, die aus seiner eigenen Sicht zum Kündigungsgrund gehörten und nicht den objektiven Tatsachen entsprächen

Die Situation stellte sich aufgrund ihrer Darstellung so dar, als sei der Kläger nicht bereit, an Maßnahmen zur Verbesserung seines Gesundheitszustands mitzuwirken.

Hat der Arbeitgeber den Betriebsrat unrichtig über Umstände unterrichtet, die für dessen Beurteilung des geltend gemachten Kündigungsgrundes zu Lasten des Arbeitnehmers von Bedeutung sein können, ist dies jedoch nur dann fehlerhaft iSd. § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, wenn diese Information bewusst falsch oder irreführend erfolgte.

An einer ordnungsgemäßen Unterrichtung über die Kündigungsgründe iSd. § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG fehlt es, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat für dessen Beurteilung bedeutsame, zuungunsten des Arbeitnehmers sprechende, objektiv unzutreffende Tatsachen mitteilt, von denen er selbst durchaus für möglich hält, dass sie nicht der Wahrheit entsprechen.

Der Arbeitgeber darf ihm bekannte Umstände, die sich bei objektiver Betrachtung zugunsten des Arbeitnehmers auswirken können, dem Betriebsrat nicht deshalb vorenthalten, weil sie für seinen eigenen Kündigungsentschluss nicht von Bedeutung waren. In diesem Sinne ist die Betriebsratsanhörung – ausgehend vom subjektiven Kenntnisstand des Arbeitgebers – auch objektiv, dh. durch Sinn und Zweck der Anhörung bestimmt.

Dazu hat das Landesarbeitsgericht im Streitfall bislang keine Feststellungen getroffen. Es wird zu prüfen haben, ob insoweit tatsächlich eine dem eigenen Kenntnisstand entsprechende, damit gutgläubig erteilte und nur objektiv fehlerhafte Information des Betriebsrats vorlag. Die Beweislast für seine Gutgläubigkeit trägt der Arbeitgeber. Das BAG führte dann zur Erhellung aller Beteiligten nochmals zu den Kündigungsgründen selber aus:

Eine mit häufigen (Kurz-)Erkrankungen des Arbeitnehmers begründete Kündigung ist sozial nur gerechtfertigt, wenn im Kündigungszeitpunkt Tatsachen vorliegen, die die Prognose stützen, es werde auch künftig zu Erkrankungen im bisherigen – erheblichen – Umfang kommen – erste Stufe. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen außerdem zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen – zweite Stufe. Diese Beeinträchtigungen können sowohl in Betriebsablaufstörungen als auch in Entgeltfortzahlungskosten liegen, wenn diese für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen jährlich zu erwarten sind.

Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung – dritte Stufe – ist schließlich zu prüfen, ob die Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber angesichts der Belange des Arbeitnehmers gleichwohl hingenommen werden müssen.

Bleib da, wo du wohnst? Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz 4 Sa 404/14

Ist der Ort der Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag nicht genannt, kann der Arbeitgeber diesen kraft seines Weisungsrechts bestimmen. Der Arbeitsort kann dann auch ein Home-Office-Arbeitsplatz sein, wenn das Interesse des Arbeitnehmers hieran überwiegt.

Ein Software-Ingenieur arbeitete aufgrund einer Vereinbarung mit seinem Vorgesetzten seit August 2009 überwiegend von zu Hause aus. Seine Fahrten zu dem etwa 300 km entfernten Betriebssitz der Arbeitgeberin wurden als Dienstfahrten anerkannt und entsprechend vergütet. Nachdem der Software-Ingenieur im März 2013 im Rahmen einer Betriebsumstrukturierung einen neuen Arbeitsvertrag abgeschlossen hatte, verlangte die Arbeitgeberin, dass er künftig am Betriebssitz arbeite. Eine Anerkennung seiner Fahrten von seinem Wohnort zur Betriebsstätte als Dienstreise lehnte sie ab.

Das Landesarbeitsgericht Mainz entschied im Sinne des Software-Ingenieurs. Die von der Arbeitgeberin ausgesprochene Weisung, die Arbeit zukünftig nur noch am Betriebssitz auszuführen, war unwirksam, so das Urteil.

Zwar könne ein Arbeitgeber grundsätzlich den Arbeitsort seiner Beschäftigten gemäß § 106 GewO bestimmen, wenn der Arbeitsvertrag hierzu keine Bestimmungen enthalte. Dieses Weisungsrecht müsse jedoch nach billigem Ermessen ausgeübt werden. Dies setze eine Abwägung zwischen dem Interesse des Arbeitgebers und dem des Beschäftigten voraus. Im vorliegenden Fall konnte die Arbeitgeberin nicht darlegen, weshalb es erforderlich sei, die Arbeit ausschließlich am Betriebssitz zu erledigen. Ein entsprechendes berechtigtes Interesse konnten die Richter daher nicht feststellen. Der Software-Ingenieur dagegen hatte sehr wohl ein erhebliches Interesse an der Heimarbeit, so die Entscheidung. Denn eine Arbeit am Betriebssitz hätte für ihn bedeutet, dass er entweder umziehen oder eine Zweitwohnung anmieten oder die Strecke vom Wohnort zum Betriebssitz und zurück täglich mit Pkw oder öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen müsste.

Daneben war die Arbeitgeberin auch nicht berechtigt, die Fahrten vom Wohnort zum Betriebssitz nicht mehr als Dienstreisen anzuerkennen, so die Richter weiter. Denn: Seit August 2009 seien die Fahrtzeiten des Software-Ingenieurs als Arbeitszeit anerkannt und die Fahrtkosten erstattet worden. Aufgrund der langjährigen Handhabung durfte der Mitarbeiter auf die Beibehaltung dieser Übung vertrauen.

Po an Po mit dem Kollegen? Mitbestimmung bei befohlenem Bettgenossen? LAG Hamm – 10 TaBV 73/04

Es geht auf Montagearbeit nach Dubai oder es gibt nen Teamevent im Phantasialand oder ein Kick-Off Event für den neuen Blutverdünner auf Rhodos oder zwei Tage für alle in Hamburg + Phantom. Bis auf die Montage an sich nett… Aber der Haken: jeweils zwei in ein Zimmer. KOSTEN SPAREN!!! Nun mag´s ja den Einen oder Anderen geben – „endlich mal allein mit Erwin“ -, der das gut findet (nicht wirklich viele). Was aber, wenn übelste Flatulenz droht, der Bettnachbar nachts ein „Sägewerk in Betrieb nimmt“, noch bis 03.00 Sexy-Clips oder den Shopping Kanal sehen will oder schlicht: „hallo, ich will das einfach nicht!“? Dann stellt sich die Frage, ob ich mich individualrechtlich dagegen wehren kann oder sogar der BR im Vorfeld ein Mitbestimmungsrecht hat. Das hat tatsächlich das LAG Hamm vor Jahren bereits entschieden (danke Jan). Der Arbeitgeber hatte aus Kostengründen angeordnet, dass die Monteure künftig immer zu zweit ein Zimmer teilen müssten (ausgenommen die „Obermonteure“). Der Betriebsrat reklamierte Mitbestimmung nach § 87 Nr. 1, 10 und 11 BetrVG und wollte mit dem Arbeitgeber in die Einigungsstelle. Das geht tatsächlich immer dann, wenn im Gesetz zu einer Mitbestimmungsfrage die Einigungsstelle als zuständig festgelegt wird. Und wenn es, wie oben behauptet, § 87 ist, dann ist nach § 87 Abs. 2 die Einigungsstelle zuständig.

Und das sahen sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landearbeitsgericht so: es liege ein Fall nach Nr. 1 Ordnung im Betrieb vor. Damit wird die Mitbestimmung in den Fällen angeordnet, in denen der Arbeitgeber nicht die Arbeitspflicht konkretisiert, sondern Anordnungen erteilt, die das sonstige Verhalten der Arbeitnehmer steuern / koordinieren. Die Dienstreise selber und deren Durchführung ist und bleibt mitbestimmungsfrei, aber die sonstigen, diese begleitenden Umstände, die insbesondere auch das Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter berühren (dazu gehört sicher auch die Frage: „mit wem teile ich die Kiste“), sind mitbestimmt. Der Betriebsrat kann insbesondere mitbestimmen, ob überhaupt „ein Bett geteilt werden muss“, wer mit wem und auch welche Fälle nach Einzelzimmern verlangen können. Das genaue Ergebnis der Einigungsstelle kennen wir nicht. Aber klar ist: auch unter der Mitbestimmung des BR´s kann die Regelung nur unter der individualrechtlichen Beachtung der Persönlichkeitsechte erfolgen.

Ein wenig Staatsbürgerkunde

https://www.youtube.com/watch?v=MiD_Hn2eeQQ

Kakerlake triff „dreckige Schweinedrecksau“: Boah – gut, dass ich Arbeitsrecht mache… Neues aus dem Mietrecht

Die Kakerlake vom Mieter? Ein bisschen die Kakerlaken anziehende „Kacka“ ist nicht schlimm, sagt das Landgericht Berlin (655 S 148). Die erhebliche Wohnungsverschmutzung u.a. mit Exkrementen ist erst schlimm, wenn dadurch der Hausfrieden erheblich gestört wird. I.ü. – so die Richter – die Gefahr des Kakerlakenbefalls bestehe auch, wenn die Wohnung permanent gereinigt würde. Und das kennt man aus dem Arbeitsrecht. Und zwar den Grundsatz „besser (als Gesetz) geht immer“. Der glückliche Erwerber der Wohnung wollte den ollen Mieter wegen Eigenbedarfs „loswerden“. Dauert zwar, hilft an sich aber immer. Nur („besser geht immer“) stand in dem mit übernommenen Mietvertrag (Kauf bricht bekanntlich nicht automatisch Miete): nur kündbar, „wenn einer der Mieter sich eines so groben Verstoßes gegen die dem Mieter aus diesem Vertrag obliegenden Pflichten schuldig macht, dass die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann“ AG Bremen 10 C 0131/14). Deshalb ist auch die eine oder andere Beleidigung durch den Mieter drin, ohne dass gekündigt werden kann. Der Mieter wäre mit seiner kreativen Beschimpfung des Vermieters als „dreckige Schweinedrecksau“ ohne Kündigung davon gekommen, wen er nicht ohne jegliche Veranlassung rumgeprollt und dabei nicht auch noch drohend die Hände gehoben hätte (AG München 433 C 13417/14).

Immerhin kann der Vermieter das „Katzennetz (was?)“ verbieten! Netz über´m Balkon, damit die Katze nicht entfleuchen kann. Denn ein solches könne (sag bloß) den Gesamteindruck des Hauses verändern. Nach Ansicht des Gerichts störten die Holzstangen des Netzes das Gesamtbild der Hausfassade erheblich (merke: im Süden ist strenger – AG Augsburg 73 C 4756). Ach ja: der Streit wegen des rauchenden Adolfs, Jahrgang 1939 (wohl daher), geht in die vierte Runde. Das Amtsgericht hatte festgehalten, dass es nicht schlimm stinkt, das Landgericht fands schlimm und der Bundesgerichtshof hat bemängelt: zu wenig Zeugen gehört. Jetzt darf das AG nochmals ran und es werden ELF Zeugen gehört („Boah, stinkt dat – ne, kommt vom Keller – der lüftet doch“). Nach der Zeugenvernehmung wissen wir evtl. mehr ;-).

Good Night & Good Luck

Ihr / Euer

Dr. Stephan Grundmann