Dummheit oder Kalkül? – Wirksamkeit einer Kündigung wegen Privatnutzung des Dienst-PC´s – „Heimliche Überwachung mittels Keylogger“ – LAG Hamm 16 Sa 1711/15Voll dumm gelaufen oder doppelt kassieren ist geiler – BAG 2 AZR 536/15 – Auch für den BR gilt: „Schreib´ genau auf, was Du willst – BAG 1 ABR 49/14 – Tatsächlich nur „der Rest“? Zur Reichweite des Restmandats – BAG 1 ABR 51/14 – Anspruch auf Schulung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement? Zugleich eine ausführliche Übersicht – danke BAG 7 AZR 699/14 – Das wird übel – Neues zur Flucht aus dem Tarifvertrag durch Betriebsübergang nach 613a BGB – EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Bot vom 19.01.2017 – verb. Rs. C-680/15 und C-681/15 „Asklepios“ – Deine Sphäre, meine Sphäre LAG Saarland – 2 Sa 4/16 – AGG-Hopping – Entschädigungsverlangen nach § 15 Abs. 2 AGG kann Rechtsmissbrauchseinwand ausgesetzt sein, wenn Bewerbung nicht ernsthaft die Anstellung bezweckte – BAG, Urteil vom 11.8.2016 – 8 AZR 4/15 –  AGG-Hopping – Entschädigungsverlangen nach § 15 Abs. 2 AGG kann Rechtsmissbrauchseinwand ausgesetzt sein wenn Bewerbung nicht ernsthaft die Anstellung bezweckte – BAG, Urteil vom 11.8.2016 – 8 AZR 4/15 – Der Manager als Metaller oder Der heimliche Sieg der Arbeiterklasse;-)

Hinweis in eigener Sache:

Kompliziert, bürokratisch und (k) eine echte Verbesserung: das neue AÜG – Aber lest selbst den Beitrag auf unserer Seite:

https://www.team-arbeitsrecht.com/aktuelles/das-neue-aueg-2017/

Mit der nächsten Ausgabe des NL setzen wir unsere Serie zum Thema Digitalisierung im Anschluss an unseren ersten humorigen Beitrag „Facebookfalle“

https://www.team-arbeitsrecht.com/aktuelles/die-facebookfalle/

fort.

Dummheit oder Kalkül?

Knapp, die Hälfte – so kürzlich in der Welt zu lesen – der Minijobber mache keinen Gebrauch von ihrem Anspruch auf bezahlten Urlaub. Getrost kann man annehmen, auch keine auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle oder an Feiertagen. Nein, ich will den Arbeitgebern nicht pauschal gesetzeswidriges Verhalten vorwerfen. Es ist idR schlichte Unkenntnis. Die 450,-€-Jobber werden nicht als Arbeitnehmer, sondern als irgendetwas dazwischen angesehen. Die Bezeichnung beruht nur auf der sozial- und steuerrechtlichen Seite. Arbeitsrechtlich sind sie schlicht Teilzeitkräfte mit Anspruch auf ALLE arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften (Urlaub, Krankheit, Kündigungsschutz und auch Sozialplan).

2,3 Millionen – OJ Simpson – über 600 Seiten – Tod und Teufel

OJ Simpson – www.XXXXXXXX – wurde frei gesprochen, weil die Jury vom Mord an seiner Frau nicht überzeugt war – evtl. wollten sie aber nur nicht DEN FOOTBALLSTAR auf dem Stuhl sehen.  Dann aber wurde er von den Angehörigen zivilrechtlich erfolgreich auf Schadensersatz i.H.v. 33,5 Millionen verklagt. Mittlerweile sitzt er bis zur erstmaligen Haftprüfung in diesem Jahr seit neun Jahren ein, weil – na ja – Raubüberfall.

Ähnlich, nur umgekehrt der Karstadt/Arcandor-Middelhoff: zivilrechtlich ist er bereits zur Rückzahlung von 2,3 Millionen Bonus verurteilt worden, weil er kurz vor Schluss seiner ruhm- und ruchlosen Amtszeit als Vorstand sich noch eben einen Bonus von 2,3 Millionen hat auszahlen lassen. Jetzt kommt die Staatsanwaltschaft und schwingt auch noch die Knastkelle. Und nicht nur für ihn. Der Aufsichtsrat sitzt mit auf der Anklagebank. Denn der hat dem feinen Herrn die Kohle ja zugesprochen. Vorne dabei die ver.di-Jungs.  Denn zwischen Mittagessen und Kaffee haben deren Aufsichtsräte wohl auch das Händchen für Middelhoff gehoben.

Middelhoff erhielt das Geld „für seinen strategischen Weitblick und die mutigen Entscheidungen in den Jahren 2005 bis 2008, die entscheidend zum Überleben des Unternehmens, zur Sicherung der Arbeitsplätze und zur Neuausrichtung des Konzerns beigetragen haben.“ Karl Gerhard Eick, wurde noch im Dezember 2008 zum neuen Arcandor-Chef ernannt. Er stellte am 9. Juni 2009 den Insolvenzantrag.

Wie gesagt: O.J.-Fall: muss nicht sein, dass es auch strafrechtliche Konsequenzen gibt…..

https://de.wikipedia.org/wiki/Mannesmann-Prozess und

https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Steinkühler – herrlich weiter

https://de.wikipedia.org/wiki/Horst_Henrichs

Wirksamkeit einer Kündigung wegen Privatnutzung des Dienst-PC´s – „Heimliche Überwachung mittels Keylogger“ – LAG Hamm 16 Sa 1711/15

Der Kläger war als Web-Entwickler beschäftigt. Bei der Beklagten war geregelt, dass Hardware, Software und Informationen ausschließlich zur Erfüllung der vereinbarten dienstlichen Aufgaben zu nutzen sind. Bei der Einführung des WLANS wies die Beklagte darauf hin, dass sämtlicher Internet-Traffic und die Benutzung der Systeme ab sofort mitgelogged und dauerhaft gespeichert werden. In der folgenden Zeit stellte sie fest, dass der Kläger allein an drei aufeinanderfolgenden Tagen in einem erheblichen Zeitraum während der Arbeitszeit nicht nur privat im Internet unterwegs war, sondern auch für eine Drittfirma tätig wurde, indem er ein Computerspiel während der Arbeitszeit programmierte – (boaaaah, das ist allerdings Hammer). Diese Information bekam der Arbeitgeber mittels eines heimlich installierten Keyloggers und ebenso angefertigter Screenshots des Bildschirms heraus. Nach einer schriftlichen Anhörung des Arbeitnehmers, in der dieser lediglich zugab, etwa täglich 10 Minuten mit außerdienstlichen Tätigkeiten verbracht zu haben, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächst zulässigen Termin. Die dagegen erhobene Klage war in beiden Instanzen erfolgreich.

Zwar habe der Kläger durch sein Verhalten einen wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB geliefert, der geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen: Ein Arbeitnehmer, der während seiner Arbeitszeit am Dienst-PC private Angelegenheiten erledigt, verletzt grundsätzlich seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis, nämlich die Pflicht zur Erbringungen der geschuldeten Arbeitsleistung. Die Pflichtverletzung wiegt dabei umso schwerer, je mehr der Arbeitnehmer durch die Erledigung privater Angelegenheiten seine Arbeitspflicht in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht vernachlässigt. Allerdings konnten die von der Beklagten mittels des heimlich installierten Keyloggers gewonnen Erkenntnisse im Verfahren nicht verwertet werden. Der heimlichen Installation und heimlichen Überwachung stand das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Artikel 2 Abs. 1 i. V. m. Artikel 1 Abs. 1 GG entgegen. Bei der Erhebung persönlicher Daten ist aufgrund des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Arbeitnehmers immer zu prüfen, ob im konkreten Fall das Interesse an der Verwertung der Daten das Interesse am Schutz des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung überwiegt. Dabei reicht das bloße Interesse, sich Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern, nicht aus. Erforderlich sind weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte. Eine Rechtfertigung dieses Eingriffes kann sich z.B. aus dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ergeben. Als Rechtfertigung kamen vorliegend § 32 BDSG oder eine Einwilligung nach § 4 BDSG in Betracht. Nach § 32 BDSG können personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet und genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder – nach dessen Begründung – für seine Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Weiter dürfen nach § 32 BDSG personenbezogene Daten eines Beschäftigten zur Aufdeckung von Straftaten erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht einer schweren Straftat oder einer anderen schwerwiegenden Pflichtverletzung begründen. Ferner muss die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung dieser Straftat erforderlich sein, das schutzwürdige Interesse des Arbeitnehmers darf nicht überwiegen und die konkrete Maßnahme darf nicht unverhältnismäßig sein. Diese Voraussetzungen des § 32 BDSG waren in dem hiesigen Fall allerdings nicht erfüllt. Die Rechtsprechung geht von einer“ Erforderlichkeit“ im Sinne des § 32 BDSG aus, wenn ein ganz konkreter Verdacht einer Straftat oder einer schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers bestand und alle anderen, weniger einschneidenden Mittel zur Aufklärung des Verdachts bereits zuvor ergebnislos ausgeschöpft waren. Es darf dem Arbeitgeber also kein anderes Mittel mehr zur Verfügung gestanden haben. Hieran fehlte es. Zum eine bestand kein ausreichender Verdacht eines strafbaren Verhaltens oder einer sonstigen schweren Pflichtverletzung des Arbeitnehmers. Denn die von ihm tatsächlich begangenen erheblichen Pflichtverletzungen sind erst durch den Einsatz des Keyloggers und der angefertigten Screenshots aufgefallen. Zum anderen war – selbst wenn man vom Vorliegens eins solchen Verdachts hätte ausgehen können – die vom Arbeitgeber getroffene Maßnahme unverhältnismäßig. So wäre es ihm ohne Weiteres möglich gewesen, den PC in Anwesenheit des Arbeitnehmers zu überprüfen, gegebenenfalls ohne Vorankündigung. Es hätte der gespeicherte Internetverlauf sowie der E-Mail-Account des Arbeitnehmers in dessen Anwesenheit ausgewertet werden können. Hierdurch hätte der Arbeitgeber ebenfalls in ausreichendem Maße davon Kenntnis erlangt, ob der Arbeitnehmer eine Straftat oder eine andere schwerwiegende Pflichtverletzung begangen hat. Die heimliche Installation des Keyloggers und die Anfertigung der Screenshots waren nach Ansicht des LAG daher nicht erforderlich. Auch die Voraussetzungen des § 4 BDSG waren nicht gegeben. Die erforderliche Einwilligung des Arbeitnehmers, die den Eingriff noch hätte rechtfertigen können, lag nicht vor. Die vom Arbeitgeber getätigte Mitteilung über das Mitloggen des Internet Traffic, auf die kein Widerspruch der Arbeitnehmer folgte, reichte nicht aus, um von einem Einverständnis der Arbeitnehmer hinsichtlich der Installation des Keyloggers und der Anfertigung der Screenshots auszugehen. Schweigen ist keine Zustimmung!

Selbst wenn ein Einverständnis der Arbeitnehmer vorgelegen hätte, wäre dies nicht ausreichend gewesen. Denn die vom Arbeitgeber vorgenommene Information der Arbeitnehmer war inhaltlich nicht weitreichend genug.

Aus diesem Grund waren wegen des massiven Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung seitens des Arbeitgebers eine Verwertung der Aufzeichnungen des Keyloggers und der gemachten Screenshots abzulehnen. Das Zugeständnis des Arbeitnehmers, am Tage maximal 10 Minuten für außerdienstliche Zwecke aufgewendet zu haben, reichte nach Ansicht beider Instanzen nicht aus.

Voll dumm gelaufen oder doppelt kassieren ist geiler – BAG 2 AZR 536/15

BR und Arbeitgeber schlossen eine Vereinbarung, nach welcher den Mitarbeitern eine sich nach § 1 a II KSchG errechnenden Abfindung geleistet werden sollte – nennen wir das mal Sozialplan. Anschließend erhielt unser Mann eine Kündigung mit dem Inhalt:

Sie haben die Möglichkeit, sich gegen diese betriebsbedingte Kündigung zu wehren. Das müssen sie nach dem Kündigungsschutzgesetz innerhalb von drei Wochen ab Zugang der Kündigung tun. Lassen Sei diese Frist verstreichen, ohne eine Kündigungsschutzklage zu erheben, haben Sie nach 1a KSchG Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in Höhe eines halben Monatsverdienstes für jedes volle Beschäftigungsjahr“.

Unser Mann erhob keine Klage und erhielt 86tsd EURO. Anschließend verlangte er weitere 86td EURO aus der „Vereinbarung“. Der Arbeitgeber war „platt“. Denn der Hinweis im Kündigungsschreiben sei lediglich als Berechnungsgrundlage für die nach der Vereinbarung zu zahlende Abfindung zu verstehen. Es wäre nicht so zu verstehen, dass der Anspruch im Kündigungsschreiben neben den aus der Vereinbarung trete. Das war doch nicht so gemeint!

DOCH: voll der Formulierungs- und wohl auch Beratungsfehler. Wenn der Arbeitgeber lediglich EINMAL nach der Vereinbarung hätte zahlen wollen, hätte er das im Kündigungsschreiben KLAR herausstellen müssen. Da diese nicht geschehen seien, stünden die Ansprüche nebeneinander und heben sich auch nicht auf. Was man sich also gedacht hat, hätte denken können, ist das Eine, was Fakt ist, das Andere. Also mit recht 2 x kassiert.

Sag ich doch: bei JURA immer die Worte auf die Goldwaage legen. Und jetzt stell Dir mal vor, eine Vielzahl Betroffener klagt. Der Anwalt findet nie wieder ne Haftpflichtversicherung.

Auch für den BR gilt: „Schreib´ genau auf, was Du willst – BAG 1 ABR 49/14

In einer GBV Mitarbeiterbeurteilung, -gespräche und –entwicklung hieß es in der Anlage 6, dass ein Förderprogramm zur Weiterentwicklung namens „Business & Leadership Competence durchlaufen werde, bevor jemand vom Mitarbeiter zur Team-Assistenz oder von der TA zum Team-Leiter aufsteige. Der BR erhielt eine Anhörung nach 99 zur Beförderung einer Mitarbeiterin zur TA. Der BR verweigerte die Zustimmung, weil das Programm BLC nicht durchlaufen worden sei. Eine Beförderung ohne BLC verstoße gegen die GBV, § 99 Abs. II Nr. 1 BetrVG.

Lässt sich hören. Denn die Regelung dieses BLC muss doch irgendeinen Sinn – eben diesen – machen (?).

Ne, sagt das BAG, denn schon dem Wortlaut nach gehe es um die „berufliche und persönliche Entwicklung“ u.a. durch Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen. Das regele die Anlage 6 durch das BLC. ABER das sei keine Auswahlrichtlinie nach § 95 Abs. I 1 BetrVG darüber, unter welchen Voraussetzungen man vom Mitarbeiter zum TA und vom TA zum TL befördert werden könne. Es fehle an Anhaltspunkten dafür, dass die Arbeitgeberin sich bei der Personalauswahl habe einschränken lassen wollen.

Die Behauptung des BR, das Gericht hätte über den wirklichen Willen der Betriebsparteien bei Abschluss der GBV Beweis erheben müssen, ging fehl. Eine BV ist immer objektiv auszulegen. Der subjektive Regelungswille ist nur insoweit zu berücksichtigen, wie er in der betreffenden Regelung erkennbar Ausdruck gefunden hat.

Tatsächlich nur „der Rest“? Zur Reichweite des Restmandats – BAG 1 ABR 51/14

Man stelle sich vor: der Betrieb geht Richtung Schließung. Das Eine oder Andere spielt sich noch ab. In unserem Falle noch eine Bonuszahlung. Nach der Schließung begeht der BR im Rahmen seines Restmandats Informationen über die Bonusgewährung. Er möchte sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Nr. 10 BetrVG ausüben. Der Arbeitgeber verweigert diese. Der BR ist der Ansicht, dass das Restmandat auch verhindern soll, dass der Arbeitgeber Beteiligungsrechte des BR durch eine Stilllegung des Betriebes unterlaufe. ABER: er blieb in allen Instanzen erfolglos. Warum: anders als es einem evtl das Gerechtigkeitsempfinden mittelt, schraubten die Gerichte die Möglichkeiten des Restmandats massiv herunter. Das Restmandat soll nach der Ansicht des BAG´s nur da bestehen, wo ein funktionaler Bezug zu den durch die Spaltung, Stilllegung der Zusammenlegung ausgelöste Aufgabe besteht. Mit Eintritt des obigen Ereignisses verwandle sich das Vollmandat in ein Restmandat für diese obigen Ereignisse.

Damit war der BR nach Auffassung bei der Frage nach der Lohngerechtigkeit draußen. Schlicht nicht mehr seine Baustelle…. denn das Restmandat diene nicht der Sanktion eines betriebsverfassungswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers. Darauf kommt er nach Schließung nicht mehr dran… Heißt im Umkehrschluss: ist das Ende nah, kann der (fiese) Arbeitgeber mal alles missachten, was dem Gesetze heilig ist? Denn mit Schließung hat sich das ehemalige Tagesgeschäft für den BR in ein bloßes Restegeschäft verwandelt? JA

Jetzt wurde noch durch den  BR die Verletzung der vertrauensvollen Zusammenarbeit bemüht. Denn schließlich nutze es der Arbeitgeber aus, dass er es nur noch mit einem BR mit Restmandat ohne weitere Rechte zu tun habe. Ist doch egal (der Verf.), denn – so das BAG – nun fehlt es doch an einem Gremium, dem gegenüber man zur vertrauensvollen Zusammenarbeit verpflichtet sei — ohne Worte.

Anspruch auf Schulung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement? Zugleich eine ausführliche Übersicht – danke BAG 7 AZR 699/14

Eine Schulung ist nach § 37 VI BetrVG erforderlich, wenn sie Kenntnisse vermittelt, die erforderlich sind, um unter Beachtung der konkreten Verhältnisse im Betrieb und Betriebsrat die gegenwärtigen oder in naher Zukunft anstehenden Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen zu können. Bei neu gewählten BR braucht der Schulungsbedarf zu den Grundkenntnissen im Arbeit- und Betriebsverfassungsrecht nicht näher dargelegt zu werden. Für andere Schulungsveranstaltungen muss ein aktueller betriebsbezogener Anlass für die Annahme bestehen, dass die in der Schulungsveranstaltung zu erwerbenden besonderen Kenntnisse derzeit oder in naher Zukunft von dem zu schulenden BR-Mitglied benötigt werden, damit der BR seine Beteiligungsrechte sach-und fachgerecht ausüben kann.

Bei der Prüfung der Erforderlichkeit hat der BR die betriebliche Situation und die mit dem Besuch der Schulung verbundenen finanziellen Belastungen des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Der Schulungszweck muss in einem angemessenen Verhältnis zu den hierfür aufzuwendenden Mitteln stehen. Demnach ist die Schulung nicht erforderlich, wenn sich vergleichbare Kenntnisse zumutbar und kostengünstiger auf andere Weise verschaffen lassen. Der BR ist jedoch nicht zu einer umfassenden Marktanalyse angehalten. Er muss nicht die günstigste Schulung nehmen, wenn er eine andere für qualitativ besser hält. Der Beurteilungsspielraum des BR bezieht sich auch auf den Inhalt der Schulung. Nur wenn mehrere gleichzeitig angebotene auch nach Ansicht des BR als qualitativ gleichwertig anzusehen sind, kommt eine Beschränkung der Kostentragungspflicht auf die preiswerteren in Betracht.

Bei der Prüfung der Angemessenheit der Kosten können auch die Dauer der Veranstaltung im Hinblick auf die behandelten Themen, die örtliche Lage und die Anzahl der zu entsendenden BR – Mitglieder von Bedeutung sein.

Schön ist: die Erforderlichkeit ist immer einheitlich zu bewerten. Die Aufteilung in einen erforderlichen und nicht erforderlichen Teil kommt nur in Betracht, wenn die einzelnen Themen so klar voneinander abgegrenzt sind, dass ein zeitweiser Besuch der Schulungsveranstaltung möglich und sinnvoll ist und wenn der erforderliche Teil gesondert besucht werden kann. Ist eine Aufteilung praktisch nicht möglich, weil die unterschiedlichen Themen zeitlich nicht von einander abgegrenzt sind oder weil die Schulung nur als Ganzes buchbar ist, ist die Gesamtschulung erforderlich, wenn die erforderlichen Themen mit mehr als 50% überwiegen.

In unserem Fall war die Schulung für die Tätigkeit des BR im Integrationsteam, dem die Unterrichtung der Beschäftigtenüber die Durchführung und die Zielsetzungen des betrieblichen Eingliederungsmanagements, die Durchführung des Klärungsprozesses und die Entscheidung über die zu treffenden betrieblichen Maßnahmen übertragen war, erforderlich, wenn die hier vermittelten Kenntnisse notwendig waren, um die obigen Aufgaben fach- u sachgerecht wahrzunehmen. Zwar sah das BAG das wohl der Sache nach so, gab dem LAG aber auf, zu prüfen, ob nicht nur Teile erforderlich waren.

Das wird übel – Neues zur Flucht aus dem Tarifvertrag durch Betriebsübergang nach 613a BGB – EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Bot vom 19.01.2017 – verb. Rs. C-680/15 und C-681/15 „Asklepios“

Eine kurze Einleitung: Bisher war es so, dass bei einem Wechsel von einem tarifgebunden zu einem nicht tarifgebundenen Unternehmen der Tarifvertrag statisch, quasi „eingefroren“ in dem Zustand (Leistungen) blieb, die er zum Zeitpunkt des Übergangs hatte.

Gab es in dem Arbeitsvertrag eine sog. Anlehnungs- oder Einbeziehungsklausel, die auf den Tarifvertrag in der jeweiligen Fassung verwies, so blieb der Tarifvertrag auch bei dem Arbeitgeber ohne Tarifbindung dynamisch anwendbar. Hat der „arme tariflose Arbeitgeber demnach einen Betrieb übernommen, in dem ein Arbeitnehmer diese og. Klausel hatte, kam es bislang zu einer dauerhaften Pflicht, den Tarifvertrag in der jeweiligen (also auch Lohnerhöhung) Fassung anzuwenden.

Da nun aber der dieses regelnde 613a BGB auf einer EU-Richtlinie (eigentlich auf mehreren) beruht, war ein dt Arbeitgeber der Ansicht, dass die vom dt. Bundesarbeitsgericht angenommene dynamische Fortgeltung verstoße gegen die Vorgaben des EU-Rechts. Klingt f mich „schräg“, weil die Vertragsformulierung eindeutig ist und der Arbeitgeber lediglich in die Position des abgebenden Arbeitgebers rutscht. Bei so einem Streit vor dem EuGH tragen die streitenden Parteien vor und quasi für die EU gibt ein sog Generalanwalt eine Stellungnahme ab, an die sich dann das Gericht bei der anschließenden Entscheidung in stat. gesehen knapp 80% der Fälle hält.

Nach Ansicht des Generalanwalts Bot schließt Art. 3 Abs. 3 der Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG aus, dass eine dynamische Bezugnahme auf einen Tarifvertrag nach dem Betriebsübergang dynamischen Charakter hat. Dies gilt nach Ansicht des Generalanwalts unabhängig davon, ob der Veräußerer normativ (also aufgrund echter Tarifbindung) an den Tarifvertrag gebunden war oder lediglich aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel.

Jetzt kommt´s natürlich auf die Entscheidung des EuGH´s an. Hält der sich an Bot´s Antrag, dann wird’s künftig entspannter für den Arbeitgeber beim Betriebsübergang. Er muss nicht mehr fürchten, den Tarifvertrag weiter beachten zu müssen. … wir werden berichten…     – ist jetzt gelöst und kommt im nächsten NL – alles wird gut;-)

Deine Sphäre, meine Sphäre LAG Saarland – 2 Sa 4/16 –

Bei Erkennbarkeit einer Spontanäußerung eines Betriebsratsvorsitzenden kann sich der Arbeitgeber im Rahmen der Durchführung der Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG nicht auf einen in der Sphäre des Betriebsrates liegenden Mangel berufen, wenn diese Äußerung mündlich deutlich vor Ablauf der Äußerungsfrist des Betriebsrates erfolgt ist.

Durch den Prokuristen der Beklagten wurde der Vorsitzende des bei der Beklagten gewählten Betriebsrates an seinem Arbeitsplatz in der Produktion am 18.02.2015 bereits mündlich angehört, unter Mitteilung des von der Beklagten als Motivation für die Kündigung dienenden Sachverhaltes. Hierbei soll der Betriebsratsvorsitzende unmittelbar die Zustimmung des Betriebsrates signalisiert haben. Damit lag erkennbar für den Prokuristen, und damit in Zurechnung über § 278 BGB auch erkennbar für die Beklagte, keine wirksame Stellungnahme des Betriebsrates vor. Der Widerspruch im eigenen Verhalten liegt hier darin, dass der Kläger bezüglich des von ihm gezeigten Verhaltens vom 17.02.2015 zu einem Gespräch über dieses Verhalten auf den 20.02.2015 eingeladen worden war. Wenn aber bereits am 18.02.2015 die Anhörung zur beabsichtigten Kündigung beim Betriebsrat erfolgt ist, konnte zu diesem Zeitpunkt eine nach eigener Vorgabe der Beklagten noch zu erwartende Stellungnahme und Rechtfertigung  beziehungsweise eine möglicherweise abzugebende Entschuldigung des Klägers bei einem erst am 20.02.2015 stattfindenden Gespräch noch gar nicht in die Motivation der Beklagten eingeflossen sein. Eine Information über den Inhalt und Verlauf des Gesprächs vom 20.02.2015 konnte die Beklagte den Betriebsratsvorsitzenden zu diesem Zeitpunkt ebenfalls nicht mitgeteilt haben. Aber selbst wenn das Gespräch des Prokuristen mit dem Betriebsratsvorsitzenden erst am 20.02.2015 stattgefunden haben sollte, führt dies ebenfalls nicht daran vorbei, dass für den Prokuristen der Beklagten aufgrund der Anhörung-Situation vollkommen offensichtlich war, dass ein Betriebsratsbeschluss, den der Betriebsratsvorsitzende nunmehr im Zuge seiner zustimmenden Haltung zum Ausdruck gebracht hat, nicht vorgelegen haben kann. Der Beklagten ist zwar insofern zuzubilligen, dass es nicht Aufgabe des Arbeitgebers ist, Nachforschungen zu betreiben, ob eine Erklärung des Betriebsratsvorsitzenden, die er für den Betriebsrat abgegeben hat, jeweils auf der Basis eines ordnungsgemäß im Gremium gefassten Beschlusses fußt. Liegt ein solcher Beschluss tatsächlich nicht vor, kann dies nicht zulasten des jeweiligen Arbeitgebers gehen, weil es sich um Mängel aus der Sphäre des Betriebsrates handelt, für die der Arbeitgeber typischerweise nicht verantwortlich ist. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn der Arbeitgeber nach der Form der Mitteilung an ihn etwa bei einer Spontanäußerung des Betriebsratsvorsitzenden bei Mitteilung der Kündigungsabsicht oder aus anderen Gründen sicher davon ausgehen kann, dass ein Beschluss, sei er nun ordnungsgemäß gefasst worden durch das Betriebsratsgremium oder nicht, gerade nicht vorliegen kann. In solchen Fällen liegt die persönliche Äußerung des Betriebsratsvorsitzenden gerade nicht mehr in der Sphäre des Betriebsrates, weil in Wahrheit keine Stellungnahme des gesamten Betriebsrates als Gremium abgegeben worden ist, was auch für den jeweiligen Gesprächspartner aus der Situation heraus offenkundig ist.

Schadensersatz wegen Benachteiligung aufgrund einer Schwerbehinderung: Vermutung aufgrund vorliegender Indizien – BAG – 8 AZR 735/15 –

Die Vermutung einer Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gem. § 22 AGG besteht nur, wenn Indizien vorliegen, die mit „überwiegender Wahrscheinlichkeit“ darauf schließen lassen, dass ein in § 1 AGG genannter Grund ursächlich für die Benachteiligung war. Die „Möglichkeit“ einer Ursächlichkeit reicht hierfür nicht aus.

In dem vom BAG entschiedenen Fall war mit zahlreichen Teilzeitkräften eine Erhöhung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit vereinbart worden. Der schwerbehinderte Kläger ist bei dem beklagten Unternehmen als Kurier in Teilzeit beschäftigt. Seine wöchentliche Arbeitszeit beträgt 27,5 Stunden. Im Juni 2013 verteilte die Beklagte ein Stundenvolumen von 66,5 Stunden auf 14 teilzeitbeschäftigte Kuriere. Bei der Verteilungsentscheidung berücksichtigte die Beklagte alle bei ihr in Teilzeit tätigen Kuriere mit Ausnahme des Klägers und eines weiteren Mitarbeiters. Der Kläger hatte zuvor mehrfach um eine Erhöhung seiner Wochenstundenzahl gebeten.

Der Kläger, der schon länger eine Aufstockung seiner Arbeitszeit begehrte, sah darin eine Diskriminierung seiner Person aufgrund seiner Schwerbehinderung und verlangte Schadensersatz vom Arbeitgeber. Das BAG beschied jedoch, dass die Annahme einer Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes voraussetzt, dass der schwerbehinderte Arbeitnehmer Indizien aufzeigen kann, die einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) “überwiegend wahrscheinlich” machen.

Eine Entscheidung in der Sache konnte das BAG nicht treffen. Daher hat es die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dieses hatte dem Kläger Schadensersatz zugestanden. Nach Ansicht des BAG habe das Landesarbeitsgericht jedoch die falsche Begründung gewählt. Denn es stehe noch nicht abschließend fest, ob eine Benachteiligung des Klägers aufgrund seiner Schwerbehinderung vorliege. Die Benachteiligung erscheine bisher nur möglich, aber nicht überwiegend wahrscheinlich. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit sei jedoch nötig, um dem Kläger Schadensersatz wegen Verstoßes gegen das AGG zuzusprechen.

AGG-Hopping – Entschädigungsverlangen nach § 15 Abs. 2 AGG kann Rechtsmissbrauchseinwand ausgesetzt sein wenn Bewerbung nicht ernsthaft die Anstellung bezweckte – BAG, Urteil vom 11.8.2016 – 8 AZR 4/15 –  

Das Entschädigungsverlangen nach § 15 Abs. 2 AGG kann dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) ausgesetzt sein. Dies ist der Fall, sofern der Kläger/die Klägerin sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihm/ihr darum gegangen ist, nur den formalen Status als Bewerber/in iSv. § 6 Abs. 1 S. 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen.

Nach § 15 Abs. 2 AGG kann ein Beschäftigter (oder eben ein Bewerber) wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung ist dabei für den Fall der Nichteinstellung auf maximal drei Monatsgehälter begrenzt, wenn der Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

Die später beklagte Stadt schrieb im Jahr 2013 die Stelle eines Technischen Angestellten mit Leitungsaufgaben aus. In der Stellenausschreibung wurden weitere spezifisch-fachliche Qualifikationen benannt, die erwartet würden. Beim Kläger lag ein Grad der Behinderung von 50 und somit eine Schwerbehinderung vor. Grundsätzlich konnte er dabei durchaus einschlägige Qualifikationen aufweisen. Er bewarb sich auf die ausgeschriebene Stelle und fügte seinem Bewerbungsschreiben zudem einen ausführlichen Lebenslauf bei. Die beklagte Stadt lud ihn jedoch nicht zu einem Vorstellungsgespräch ein und entschied sich stattdessen für einen anderen Bewerber. Der Kläger machte sodann gegenüber der Beklagten einen Entschädigungsanspruch geltend. Er trug vor, dass er innerhalb des Auswahlverfahrens wegen seiner Schwerbehinderung diskriminiert worden sei. Es habe eine Verpflichtung bestanden, ihn zu einem Vorstellungsgespräch gleichfalls einzuladen (§ 82 SGB IX). Schon hierdurch sei die Vermutung begründet, dass er wegen seiner vorliegenden Schwerbehinderung benachteiligt worden sei. Die Beklagte war dagegen der Auffassung, sie sei nicht verpflichtet gewesen, den Kläger einzuladen, denn dieser sei für Stelle offenkundig nicht geeignet.

In der ersten Instanz wurde dem Kläger Recht gegeben und eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von drei Bruttomonatsverdiensten wurde ausgeurteilt. In der zweiten Instanz wurde durch das Landesarbeitsgericht der Entschädigungsbetrag zwar auf einen Monatsverdienst gekürzt. Die Verpflichtung zur Zahlung einer Entschädigungssumme an den Kläger wurde jedoch bestätigt.

Das Bundesarbeitsgericht bestätigte die Überlegungen der Vorinstanzen, dass bereits dadurch, dass der Kläger nicht zu dem Vorstellungsgespräch eingeladen worden war, die Vermutung begründet werde, dass er wegen seiner Schwerbehinderung diskriminiert worden sei. Die Angaben des Klägers in seiner Bewerbung würden keine Grundlage dafür bieten, ihm schlichtweg jegliche fachliche Eignung abzusprechen. Das ist also immer noch einfach….

Der Manager als Metaller oder der heimliche Sieg der Arbeiterklasse;-)

Die Hälfte des VW-Managements ist in der IGM…. alles heimliche Arbeitnehmerversteher? Ne, VW prüft gerade, ob das evt einen positiven Einfluss auf Einstellung und Beförderung hat…. ach. Man habe Hinweise aus der Belegschaft und dem Management, dass die Mitgliedschaft den Aufstieg in der Hierarchie fördere und sei in der Prüfung dazu. Zwei Dinge dazu:

  1. Warum verwundert das nicht?
  2. Und wer prüft jetzt bitte die unberechtigte Bevorzugung des Managements durch das Management? – evtl die Ziege, die auch die Tulpen vor anderen Ziegen schützen soll – lol

Good Night & Good Luck

Ihr, Euer Dr. Stephan Grundmann