Wahlbeteiligung von erst am Wahltag zur Wählerliste ergänzten Personen –

BAG  – 7 ABR 19/17 – Was gibt es für die Rufbereitschaft?? Nicht die volle Kohle und: Kommt drauf´an! VG Neustadt adW. – 1 K 1117/16 NW – UND DAZU PASSEND: Anwendung der Arbeitszeitdefinition auf Vergütungsregelungen – Rufbereitschaft als Arbeitszeit – Die fiese Änderungskündigung – BAG – 2 AZR 546/16 – Sozialauswahl – Rentenberechtigte AN sind hinsichtlich des Kriteriums „Lebensalter“ deutlich weniger schutzwürdig – BAG – 2 AZR 67/16 – Geringerer Kündigungsschutz für jüngere Arbeitnehmer kann mit dem Unionsrecht vereinbar sein EuGH – Rs. C-143/16 „Abercrombie & Fitch Italia“ – Heile, heile Gänschen – oder wie die fehlende Schriftform bei der Vertragsbefristung „geheilt“ werden kann – BAG 7 AZR 223/15 – Das möchte ich gerne haben – Mitteilungspflichten bei Personalplanung – 1 ABR 64/14 – Abgrenzung von Arbeitnehmerüberlassung zu Tätigkeit im Gemeinschaftsbetrieb – 5 Sa 209/16 – „Ich bin der Bestimmer“ reicht nicht: Bloßer Erwerb von Gesellschaftsanteilen und Ausübung von Herrschaftsmacht – Kein § 613a BGB – BAG – 8 AZR 91/15 – Wenn´s mal nicht so gut läuft: RAUS DAMIT? LAG Berlin-Brandenburg – 2 Sa 1188/16 – Na gut, wenn ne Rechtsschutz dahinter hängt… oder: der große Katzenjammer. SG Landshut – Az S 13 U 243/16

 

Wahlbeteiligung von erst am Wahltag zur Wählerliste ergänzten Personen –

BAG  – 7 ABR 19/17 –

Es ist wieder mal so weit – mit Macht kommt die Wahl. Und wenn Du Hammer bist, siehst Du überall Nägel. Als BR-Anwalt hast du daher im Vorfeld der Wahlen ein besonderes Auge auf genau diese WAHLTHEMEN:

Und schau mal einer an: hier ist wieder eine feine Entscheidung zur Wahl:

Bedenke: die BR-Wahl ist eine furchtbaaaaar formale Veranstaltung. Aber manches Mal hilft auch Lesen. Und wenn man das getan hat, bleibt einem Nachstehendes erspart. Was war passiert? Nun, warum auch immer:

Die Ausübung des Wahlrechts bei der Betriebsratswahl setzt nach § 2 Abs. 3 WO die Eintragung in die Wählerliste voraus. Nach § 4 Abs. 3 S. 2 WO sind Änderungen und Ergänzungen der Wählerliste nur bis zum Tag vor Beginn der Stimmabgabe zulässig, nicht jedoch am Wahltag selbst. Wird die Wählerliste durch den Wahlvorstand noch am Wahltag um bislang nicht aufgeführte wahlberechtigte Arbeitnehmer ergänzt und nehmen diese Arbeitnehmer an der Wahl teil, kann dies die Anfechtung der Wahl rechtfertigen, wenn dadurch das Wahlergebnis beeinflusst werden konnte.

Was gibt es für die Rufbereitschaft?? Nicht die volle Kohle und: Kommt drauf´ an! VG Neustadt adW. – 1 K 1117/16 NW

Hier haben wir ein Thema aus dem Öfftl Dienst (Beamter). Deshalb wurde der Streit vor dem Verwaltungsgericht ausgetragen. ABER: das Thema passt Top zur gleichen Fragestellung im „wirklichen (Arbeits-)Leben“. Es ging um folgende Frage: der Beamte leistet im Wechsel mit Kollegen Rufbereitschaft. Während dieser kann er sich an einem beliebigen Ort aufhalten, muss aber binnen 20 Minuten am Einsatzort sein. Echte Einsatzzeit wird voll als Arbeitszeit gewertet. Die Zeit ohne Einsatz wird zu einem Achtel in Freizeit und zu einem weiteren Achtel in Geld ausgeglichen (Beispiel: acht Tage Bereitschaft = 1 Tag bezahlt frei und ein Tag Bezahlung = ¼ Ausgleich!).

Der Kollege wollte wegen der persönlichen Einschränkung einen 1 : 1 Ausgleich für die Rufbereitschaft an sich. Das sah das VG in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH und des BVerwG anders: nur der Aufenthalt an der Dienststelle oder der (unveränderliche) an einem anderen Ort kann als Arbeitszeit gewertet werden. Die Einschränkungen, denen der Kläger ausgesetzt war, gingen nicht so weit, dass man die weiterhin bei seiner Bereitschaft bestehende Möglichkeit Besuch zu empfangen, häusliche Arbeiten zu verrichten oder andere typische Freizeitaktivitäten wie Lesen oder Fernsehen zu können, als Arbeitszeit bewerten könnte. „Dies ist nach Überzeugung des Gerichts nicht gerechtfertigt“.

Merke: keine KLARE AUSSAGE, was zu zahlen ist, aber die Klärung, dass die Einschränkung der Rufbereitschaft zu gewichten ist und eine Zahlung oder Freizeit für dieselbe sich nach dem Maß der Einschränkung bemessen lassen muss.

UND DAZU PASSEND: Anwendung der Arbeitszeitdefinition auf Vergütungsregelungen – Rufbereitschaft als Arbeitszeit

EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Sharpston vom 26.7.2017 – Rs. C-518/15 „Matzak“

Nach Ansicht des Generalanwalts dürfen die Mitgliedstaaten nach Art. 17 Abs. 3 Buchst. c Ziff. iii der Richtlinie 2003/88/EG bestimmte Kategorien von Feuerwehrleuten, die bei öffentlichen Feuerwehrdiensten beschäftig sind, nur von den in Art. 17 Abs. 3 genannten Vorschriften der Richtlinie ausnehmen. Eine vollständige Ausnahme von den Vorschriften der Richtlinie, insbesondere von denjenigen, in denen die „Arbeitszeit“ und die „Ruhezeit“ definiert sind, sei nicht zulässig. Die Richtlinie 2003/88 hindere den nationalen Gesetzgeber eines Mitgliedstaats daran, eine weniger restriktive Definition der „Arbeitszeit“ als nach der Richtlinie beizubehalten oder einzuführen. Der Gesetzgeber eines Mitgliedstaats könne jedoch den Arbeitnehmerschutz erhöhen, sofern er dabei nicht von der Definition der Richtlinie abweiche.

Die Definition der „Arbeitszeit“ in Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/88 umfasst nach Ansicht des Generalanwalts nicht automatisch Arbeitnehmer, die im Bereitschaftsdienst beschäftigt sind und in der Lage sein müssen, einem Ruf des Arbeitgebers in kurzer Frist Folge zu leisten (ohne dabei im Betrieb des Arbeitgebers persönlich anwesend sein zu müssen), und deren Möglichkeit, im betreffenden Zeitraum anderen Tätigkeiten nachzugehen, dementsprechend eingeschränkt sein kann. Es sei vielmehr die Qualität der Zeit zu berücksichtigen, die dem Arbeitnehmer möglicherweise während derartiger Dienste beispielsweise in der Form zuteilwerde, dass er sich seinen eigenen Interessen und seiner Familie widmen kann.

Die fiese Änderungskündigung – BAG – 2 AZR 546/16

Man stelle sich vor, bislang auf der Vertragsposition A gearbeitet zu haben. Der Arbeitgeber entscheidet nun, dass die alte Position A unter Veränderung B hat und mit B-Tätigkeiten ausgeübt wird. Da A B nicht kann, kriegt er eine Änderungskündigung auf die schlechtere und schlechter bezahlte Position C. Geht das?

Konkret war der Kläger Chefarzt der Inneren Abteilung (internistische Abteilung) der Beklagten. Nach einer Umstrukturierung erhielt der Kläger eine betriebsbedingte Kündigung, die er gewann (wichtige Vorgeschichte). Dann wurde die internistische in gastroenterologische Abteilung umbenannt und die Beklagte beschloss, deren Leitung in die Hände eines neuen Chef- und Oberarztes zu legen. Dem Kläger wurde eine Änderungskündigung – Kündigung des Chefarztpostens und Angebot als Assistenzarzt weiter zu arbeiten – gegeben. Er bestreitet den nachvollziehbaren, arbeitsplatzbezogenen Grund, die Anforderungen wie geschehen zu ändern.

Vor dem Arbeitsgericht gewann der Arbeitgeber, das LAG gab dem Chefarzt recht und das BAG hat das LAG aufgehoben und zur erneuten Prüfung zurück verwiesen.

Halten wir mal fest: der Arbeitnehmer hat das Recht seinen Laden so zu gestalten, wie er es für richtig hält. Niemand kann erwarten, dass die von ihm ausgeübte Tätigkeit bis ans Lebensende vorhanden ist.  Das Arbeitsgericht prüft nie, ob eine Entscheidung zur Änderung oder zum Wegfall von Arbeitsplätzen praktisch, fachlich oder ökonomisch sinnvoll und damit gerechtfertigt ist (Anm.: wie soll ein Richter dergleichen entscheiden. Schließlich ist er ja dem Zivilleben entfleucht, um sich nicht den wichtigen Herausforderungen des Lebens stellen zu müssen – lol).

Den Spagat zwischen der dem Richter unmöglichen Prüfbarkeit der Sinnhaftigkeit und dem völligen Laissez Fair hat das Gesetz so gelöst: Die für den Wegfall / die Änderung ursächliche Unternehmerentscheidung darf nicht „willkürlich“ sein. So geht das BAG an unseren Fall:

„Die betriebsbedingte Änderungskündigung ist sozial gerechtfertigt, wenn das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfalle ist und sich der Arbeitgeber darauf beschränkt hat, solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderung muss geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrages an die verbliebenen Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Die angeboten Änderungen dürfen sich nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Zieles erforderlich ist.

Sind allerdings die betreffende Organisationsentscheidung und der Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich, weil der Arbeitnehmer dem neuen Anforderungsprofil nicht mehr genügt, kann die generelle Vermutung, dass eine unternehmerische Entscheidung auf sachlichen Gründen beruht, nicht unbesehen greifen. Der Arbeitgeber kann sich nicht lediglich auf seine Entscheidungsfreiheit berufen. Er muss konkret darlegen, wie seine Entscheidung sich auf die tatsächlichen Möglichkeiten, die Arbeitnehmer einzusetzen, auswirkt und in welchem Umfang durch sie ein konkreter Änderungsbedarf entstanden ist. Beruft sich der Arbeitgeber zur Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung auf eine Neubestimmung des Anforderungsprofils,  muss er den zugrunde liegenden betrieblichen Anlass im Einzelnen darlegen. Die Entscheidung zur (neuen) Stellenprofilierung muss im Zusammenhang mit einer organisatorischen Maßnahme – ggf im Zusammenhang mit einer Neuausrichtung der Geschäftstätigkeit – stehen, nach deren Durchführung sich die bisherigen Anforderungen an den Stelleninhaber ändern. Bei den geänderten Anforderungen dar es sich nicht nur um eine wünschenswerte Voraussetzung für die Tätigkeitsausführung, sondern um ein nachvollziehbares, arbeitsplatzbezogenes Kriterium für die Stellenprofilierung handeln.

Sozialauswahl – Rentenberechtigte AN sind hinsichtlich des Kriteriums „Lebensalter“ deutlich weniger schutzwürdig – BAG – 2 AZR 67/16 –

Der 1947 geborene, verheiratete Kläger war seit 1981 bei dem beklagten Arbeitgeberverband als juristischer Mitarbeiter tätig, zuletzt nach Maßgabe des von ihm selbst formulierten Arbeitsvertrags vom 29. Juni 2012. Der Beklagte beschäftigte fünf weitere juristische Mitarbeiter. Zu diesen gehörte seit September 2007 die im Juli 1979 geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Arbeitnehmerin F.

Mit Schreiben vom 23. Mai 2014 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers, der zu diesem Zeitpunkt bereits eine Regelaltersrente bezog, zum 31. Dezember 2014. Die Vorinstanzen ArbG und LAG gaben dem Kläger Recht. Der Kläger sei deutlich schutzwürdiger als die Arbeitnehmerin F. Zwar treffe ihn eine Unterhaltspflicht weniger. Er sei jedoch wesentlich länger bei dem Beklagten beschäftigt. Zudem müsse sein Lebensalter „gebührend“ berücksichtigt werden, weil seine Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt schlechter stünden. Nach „gegebener Gesetzeslage“ könne der Bezug einer Regelaltersrente nicht zu seinen Lasten gehen.

Das sah das BAG völlig anders:

Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG soll grundsätzlich dem Arbeitnehmer gekündigt werden, der auf das Arbeitsverhältnis am wenigsten angewiesen ist. Seit der Neuregelung des § 1 Abs. 3 KSchG bestimmt sich dies allein anhand der Kriterien Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten, Lebensalter und Schwerbehinderung. Das Lebensalter versteht der Gesetzgeber insofern als abstrakten Maßstab für die Vermittlungschancen eines Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt nach einer Kündigung. Die Rechtsstellung solcher Arbeitnehmer sollte gestärkt werden, deren Chancen aufgrund ihres Alters typischerweise schlechter stehen, überhaupt oder doch zeitnah ein dauerhaftes „Ersatzeinkommen“ zu erzielen. Zugleich sollten ausweislich der Begründung zur ebenfalls durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt erfolgten Änderung des SGB III die Ausgaben für das Arbeitslosengeld und damit die Beiträge zur Arbeitsförderung gesenkt werden. Die der Berücksichtigung des Lebensalters bei der sozialen Auswahl vom Gesetzgeber beigemessenen Zwecke gebieten es, einen Arbeitnehmer, der bereits Regelaltersrente beziehen kann, jedenfalls hinsichtlich dieses Auswahlkriteriums als deutlich weniger schutzbedürftig anzusehen als Arbeitnehmer, die noch keinen Anspruch auf eine Altersrente haben. Bei diesen besteht die Gefahr, dass sie durchgehend oder zumindest für größere Zeiträume beschäftigungslos bleiben und damit mittel- bzw. langfristig auf den Bezug von Entgeltersatzleistungen und etwaigen staatlichen Unterstützungsleistungen angewiesen. Hingegen steht den Arbeitnehmern, die im Kündigungszeitpunkt bereits Anspruch auf eine Regelaltersrente haben oder – wie der Kläger – eine solche sogar beziehen, dauerhaft ein Ersatzeinkommen für das zukünftig entfallende Arbeitseinkommen zur Verfügung. Die Annahme, dass der Verlust des Arbeitsverhältnisses einen Arbeitnehmer weniger hart trifft, wenn er Regelaltersrente beziehen kann, liegt auch der Regelung in § 10 Abs. 2 Satz 2 KSchG zugrunde. Danach darf vom Gericht eine nach Maßgabe von § 10 Abs. 2 Satz 1 KSchG erhöhte Abfindung nicht festgesetzt werden, wenn der Arbeitnehmer das in §§ 35, 235 SGB VI bezeichnete Lebensalter erreicht hat.

Hier erkennt der Gesetzgeber an, dass die Härte, die der Verlust des Arbeitsverhältnisses für einen Arbeitnehmer bedeutet, nicht ausschließlich durch sein Lebensalter, sondern daneben durch weitere Kriterien bestimmt wird.

Die Berücksichtigung der Regelaltersrentenberechtigung im Rahmen der nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG vom Arbeitgeber zu treffenden Auswahlentscheidung führt zu einer unmittelbaren Ungleichbehandlung wegen des Lebensalters. Das Recht, eine Regelaltersrente zu beziehen, ist untrennbar mit dem dafür bestimmten Lebensalter verknüpft.

Mit der Berücksichtigung der Regelaltersrentenberechtigung verfolgt der deutsche Gesetzgeber ein rechtmäßiges Ziel iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Richtlinie 2000/78/EG. Es handelt sich um ein Instrument der nationalen Arbeitsmarktpolitik, mit dem über eine gerechtere Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen die wirtschaftliche Existenz von Arbeitnehmern durch den Verbleib in Beschäftigung gesichert werden soll.

Die dafür gewählten Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Den regelaltersrentenberechtigten Arbeitnehmern steht zum Bestreiten ihres Lebensunterhalts ein dauerhaftes Ersatzeinkommen zur Verfügung. Hieran fehlt es bei den nicht rentenberechtigten Arbeitnehmern. Selbst wenn diese nach einer Übergangszeit ein Anschlussarbeitsverhältnis begründen können, verlieren sie ihre bisherige kündigungsschutzrechtliche Stellung und gehören bei künftigen Personalreduzierungen regelmäßig zu den Beschäftigten, denen wegen ihrer kurzen Betriebszugehörigkeit vorrangig gekündigt wird. Überdies können sie oftmals bei der Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses nicht ihr bisheriges Arbeitsentgelt erzielen, was, ebenso wie die vorangehenden Zeiten einer Arbeitslosigkeit, zu Nachteilen in ihrer Rentenbiografie.

Es verbleiben drei weitere Auswahlkriterien, die den Ausschlag zu ihren Gunsten geben können. Zudem sind sie nicht gezwungen, aus dem Arbeitsleben auszuscheiden. Bei Bestehen eines betriebsbedingten Kündigungsgrundes kann eine für sie nachteilige Auswahlentscheidung „allenfalls“ dazu führen, dass sie ihr Arbeitsverhältnis zugunsten von stärker schutzbedürftigen Arbeitnehmern verlieren.

  1. Erwies sich danach die Arbeitnehmerin F, die überdies einem Kind zum Unterhalt verpflichtet war, hinsichtlich des Lebensalters als erheblich schutzbedürftiger als der Kläger, musste der Beklagte diesen nicht allein aufgrund dessen sehr viel längerer Betriebszugehörigkeit als insgesamt deutlich schutzwürdiger ansehen.

Und dann nimmt das BAG nochmals Stellung zur Prüfung des Stellenwegfalls – also wie eine Reduzierung von Stellen an sich gerechtfertigt werden kann:

Der Beklagte hat beschlossen, die – noch – anfallenden Rechtssachen künftig von nur fünf juristischen Mitarbeitern in deren vertraglich geschuldeten regelmäßigen Arbeitszeiten erledigen zu lassen und dadurch wider Erwarten eintretende qualitative Einbußen und ggf. zeitliche Verzögerungen in Kauf zu nehmen. Diese – nahe am Kündigungsentschluss liegende – Unternehmerentscheidung muss der Beklagte im Prozess hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und ihrer Nachhaltigkeit ausreichend verdeutlichen. Dabei geht es allein darum, Rechtsmissbrauch auszuschließen. Es sollen Kündigungen vermieden werden, die zu einer rechtswidrigen Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbleibenden Personals führen. Außerdem soll verhindert werden, dass die unternehmerische Entscheidung lediglich als Vorwand benutzt wird, um Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeit fortbestehen und lediglich die Arbeitsvertragsinhalte und die gesetzlichen Kündigungsschutzbestimmungen als zu belastend angesehen werden.

Nach dem bisherigen Vortrag der Parteien drängt sich ein Rechtmissbrauch nicht auf. Zwar dürfte der Beklagte seinen Mitgliedern in der rechtlichen Beratung einen gewissen Mindeststandard schulden und die Bearbeitung der anfallenden Rechtssachen zumindest teilweise innerhalb fremdbestimmter Fristen zu erfolgen haben. Gegen eine übermäßige Belastung der verbliebenen Kräfte spricht jedoch, dass nicht nur die Zahl der Gerichtsverfahren über einen längeren Zeitraum deutlich zurückgegangen sein soll, sondern juristische Mitarbeiter eines Arbeitgeberverbandes zudem die Möglichkeit haben, bei ggf. für den Einzelnen steigendem Fallaufkommen „konzentrierter und verdichteter“ zu arbeiten. Demensprechend hat der Kläger selbst nicht behauptet, er habe in „Spitzenzeiten“ Überstunden leisten müssen.

Nach der Behauptung des Beklagten sind nach seinem – des Klägers – Ausscheiden auch bei den verbliebenen Arbeitnehmern keine über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehenden Arbeitszeiten angefallen. Nichts spricht dafür, dass es unter dem Vorwand einer unternehmerischen Entscheidung allein darum gegangen wäre, sich von dem Kläger zu trennen. Nach seiner eigenen Behauptung sollte zunächst die Arbeitnehmerin F von dem geplanten Stellenabbau betroffen sein. Die Entscheidung, sein Arbeitsverhältnis zu kündigen, sei dann „allein“ mit Rücksicht darauf gefallen, dass er durch den Bezug einer Regelaltersrente abgesichert sei. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Beklagte inzwischen wieder auf sechs juristische Mitarbeiter „aufgestockt“ hätte. Die abschließende Feststellung und Würdigung der für den Ausschluss eines Missbrauchs des Kündigungsrechts maßgeblichen Tatsachen muss allerdings – ggf. nach ergänzendem Vorbringen der Parteien – dem Landesarbeitsgericht vorbehalten bleiben.

Geringerer Kündigungsschutz für jüngere Arbeitnehmer kann mit dem Unionsrecht vereinbar sein – EuGH – Rs. C-143/16 „Abercrombie & Fitch Italia“

Das Unionsrecht steht einer Bestimmung nicht entgegen, nach der ein Arbeitgeber mit einem Arbeitnehmer, der noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, unabhängig von der Art der zu erbringenden Leistungen einen Gelegenheitsarbeitsvertrag schließen und diesen Arbeitnehmer entlassen kann, sobald er das 25. Lebensjahr vollendet, sofern mit dieser Bestimmung ein legitimes Ziel der Beschäftigungs- und der Arbeitsmarktpolitik verfolgt wird und die zur Erreichung dieses Ziels vorgesehenen Mittel angemessen und erforderlich sind.

Im deutschen AGG ist das in § 10 geregelt.

Heile, heile Gänschen – oder wie die fehlende Schriftform bei der Vertragsbefristung „geheilt“ werden kann – BAG 7 AZR 223/15

„Eine formnichtige Befristungsabrede lässt sich nach der Rechtsprechung des Senats zwar nicht dadurch nachträglich heilen, dass die Parteien das nicht schriftlich Vereinbarte nach der Arbeitsaufnahme durch den Arbeitnehmer schriftlich niederlegen. In diesem Falle ist die zunächst der Schriftform nicht entsprechende Befristungsabrede unwirksam mit der Folge, dass seit Vertragsbeginn ein unbefristetes Arbeitsverhältnis vorliegt. Die spätere schriftliche Niederlegung der zunächst formnichtig vereinbarten Befristung führt nicht dazu, dass die Befristung rückwirkend wirksam wird.

JETZT KOMMTS: dadurch kann allenfalls das bei Vertragsbeginn unbefristet entstandene Arbeitsverhältnis nachträglich befristet werden. Dazu sind aber auf die Herbeiführung dieser Rechtsfolge gerichtete Willenserklärungen der Parteien erforderlich. Daran fehlt es idR, wenn die Parteien nach Vertragsbeginn lediglich eine bereits zuvor formunwirksam vereinbarte Befristung in einem schriftlichen Arbeitsvertrag niederlegen. Dadurch wollen sie im Allgemeinen nur das zuvor vereinbarte schriftlich festhalten und keine eigenständige rechtsgestaltende Regelung treffen. Anders verhält es sich, wenn die Parteien vor Vertragsbeginn und vor Unterzeichnung keine Befristung vereinbart haben oder wenn sie formunwirksame Befristungsabrede getroffen haben, die inhaltlich mit der in dem später unterzeichneten schriftlichen Arbeitsvertrag enthaltenen Befristung nicht übereinstimmt.

In diesem Fall wird in dem schriftlichen Arbeitsvertrag nicht lediglich eine zuvor formunwirksam vereinbarte Befristung schriftlich niedergelegt, sondern eine davon abweichende und damit eigenständige Befristungsabrede getroffen, durch die das zunächst bei Vertragsbeginn unbefristet entstandene Arbeitsverhältnis nachträglich befristet wird.

Das möchte ich gerne haben – Mitteilungspflichten bei Personalplanung – 1 ABR 64/14

Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber nach § 92 Abs. 1 BetrVG die rechtzeitige und umfassende Unterrichtung über die Personalplanung anhand von denjenigen Unterlagen verlangen, die jener seiner Personalplanung zugrunde legt. Dabei kann es sich auch um vom Arbeitgeber erstellte Daten handeln, mit denen er noch andere Zwecke verfolgt.

Der Unterrichtungsanspruch über die Personalplanung erstreckt sich nicht auf solche Daten, die für die Personalplanung nicht genutzt werden.

Verlangt der BR vom Arbeitgeber Unterlagen, um Vorschläge zur Änderung einer bestehenden Personalplanung erarbeiten zu können, hat er darzulegen, weshalb die begehrten Informationen zur Wahrnehmung dieses Vorschlagsrechts nach 92 I erforderlich sind.

Der Anspruch auf Vorlage der entsprechenden Unterlagen ergibt sich aus § 80 Abs. 2 S. 2 BetrVG.

Abgrenzung von Arbeitnehmerüberlassung zu Tätigkeit im Gemeinschaftsbetrieb – 5 Sa 209/16 –

Die Arbeitnehmerüberlassung ist von einer Tätigkeit des Arbeitnehmers in einem gemeinsamen Betrieb zu unterscheiden. Um Arbeitnehmerüberlassung handelt es sich nicht, wenn die Arbeitnehmer in einen Gemeinschaftsbetrieb entsandt werden, zu dessen gemeinsamer Führung sich ihr Vertragsarbeitgeber und ein Dritter rechtlich verbunden haben.

Kennzeichen eines gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen ist, dass die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel mehrerer Unternehmen für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Die beteiligten Unternehmen müssen sich zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben.

Für eine gemeinsame Führung spricht es, wenn die an einer ambulanten Dialyseeinrichtung beteiligten Unternehmen wechselseitig Personal einschließlich Leitungspersonal stellen und zu einem erheblichen Anteil an der Personalleitung beteiligt sind bzw. wesentliche Entscheidungen gegenseitig abzustimmen sind.

 „Ich bin der Bestimmer“ reicht nicht: Bloßer Erwerb von Gesellschaftsanteilen und Ausübung von Herrschaftsmacht – Kein § 613a BGB – BAG – 8 AZR 91/15 –

Der bloße Erwerb von Anteilen an einer Gesellschaft und die Ausübung von Herrschaftsmacht über diese Gesellschaft durch eine andere Gesellschaft genügen weder für die Annahme eines Übergangs von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- und Betriebsteilen i.S.d. Richtlinie 2001/23/EG noch für die Annahme eines Betriebsübergangs i.S.v. § 613a BGB.

Wenn´s mal nicht so gut läuft: RAUS DAMIT? LAG Berlin-Brandenburg – 2 Sa 1188/16

Wir erinnern uns an den obigen Satz?: „Außerdem soll verhindert werden, dass die unternehmerische Entscheidung lediglich als Vorwand benutzt wird, um Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeit fortbestehen“. Dreh- und Angelpunkt der betriebsbedingten Kündigung ist der Wegfall der Arbeit. Dabei spielt es keine Rolle, ob dieses auf einer (dummen) frei gefunden unternehmerischen Entscheidung oder auf externen Einflüssen, die diese bedingen, beruht.

Wichtig ist: klar muss sein, dass die Arbeit WEG ist. Die Prognose über diesen Wegfall muss plausibel sein. So ist z. B. eine Kündigung unwirksam, bei der noch gar nicht klar ist, ob nicht bis zum Beendigungszeitpunkt die Beschäftigung wieder da ist – typisch: Logistik und Folgeaufträge, um die sich klar permanent bemüht wird. Ist das Kommen und Gehen von Kunden also typisch und damit die Unsicherheit wegen des Wegfalls also größer sind die Anforderungen an den Arbeitgeber höher…  Wie sieht es beim Verleiher aus, der doch in diesem „Kommen und Gehen Umfeld“ tätig ist?

Die Klägerin war durch die Beklagte auf Basis einer Leiharbeiterin  als Verwaltungsangestellte  an Kunden vermittelt worden. Die Beklagte kündigte der Klägerin zum 30.4.2016 betriebsbedingt aufgrund von fehlenden Aufträgen über einen Zeitraum von drei Wochen.

Die Parteien stritten letztendlich u.a. um die betriebsbedingte Kündigung. Das Arbeitsgericht hatte der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die gegen diese Entscheidung eingelegt Berufung der Beklagten blieb vor dem LAG erfolglos.

Die Kündigung war gem. § 1 Abs. 2 KSchG sozial nicht gerechtfertigt. Die Beklagte hat keine notwendigen ausreichenden Gründe zur Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung durch einen Verleiher vorgetragen.

Zwar ist ein Auftragsverlust grundsätzlich dazu geeignet eine betriebsbedingte Kündigung zu rechtfertigen. Der Arbeitgeber muss aber, anhand der Auftrags- und Personalplanung darstellen, warum es sich nicht nur um einen kurzfristigen Auftragsverlust, sondern um einen dauerhaften Auftragsrückgang handelt und ein anderer Einsatz des Arbeitnehmers auch ggf. nach Anpassungsfortbildungen nicht in Frage kommt.

Der Arbeitgeber muss eine Prognose über das zukünftige Beschäftigungsvolumen erstellen und dabei die Tatsachen, aufgrund derer die Prognose erstellt wird, konkret darlegen. Bei einem Leiunternehmen reichen kurzfristige Auftragslücken nicht aus, um eine betriebsbedingte Kündigung gem. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG zu rechtfertigen. Sie gehören vielmehr zum typischen Wirtschaftsrisiko dieser Unternehmen. Drei Wochen stellen lediglich eine kurzfristige Auftragslücke dar.

Die Beklagte hat nicht zu Genüge dargelegt aufgrund welcher Ursachen die Klägerin dauerhaft nicht mehr einsetzbar sein wird. Die Zeugenaussage eines Mitarbeiters, der die Prognoseentscheidung für die Beklagte übernimmt, ohne dabei die tatsächlichen Gründe der Prognose darzulegen, ist dazu als Beweis ungeeignet.

Auch hat die Beklagte nicht vorgetragen, dass sie endgültig keine Verwaltungsangestellte mehr beschäftigen wird, was grundsätzlich ebenfalls eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen würde. Der Umstand, dass sie größtenteils nur Pflegekräfte vermittelt, reicht nicht aus, da sie zusätzlich zur Klägerin auch drei weitere Verwaltungsangestellte vermittelt.

Wenn man jetzt gut aufgepasst hat, weiß man wohl, wie beim nächsten Fall vorzutragen ist;-).

Na gut, wenn ne Rechtsschutz dahinter hängt… oder: der große Katzenjammer. SG Landshut – Az S 13 U 243/16

Na ja, der ursprüngliche Autor schmückte den Artikel mit dem Ausruf: „Neugier ist der Katze Tod“, aber so ganz passte das ja nicht. Es sei denn er war neugierig darauf, wie das dt Rechtsystem tickt oder wie intensiv die Killung seiner Geldreserven durch sinnlose Prozesse erfolgt. „Katzenjammer –mein erster Gedanke – passt auch nicht so richtig, denn das soll von Kotzenjammer stammen – argh, wir verstehen uns.

Wie dem auch sei. Unser Held kam nach seiner Spätschicht zu Hause an und ging auf einem gepflasterten Gehweg in Richtung Haustür. Da fiel ihm ein, er müsse nach seiner Katze Ausschau halten. Hierzu betrat er den neben dem Gehweg befindlichen Rasen. Etwa einen Meter neben dem Gehweg rutschte er auf dem nassen Rasen aus und zog sich dabei eine Schulterverletzung zu.

Das SG Landshut hat entschieden, dass die Suche nach dem Haustier auf dem Nachhauseweg von der Arbeit nicht dem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz unterliegt. Nach Auffassung des Sozialgerichts kann jede privat motivierte Verrichtung den Versicherungsschutz sofort beenden. Zum Zweck einer privaten Verrichtung sei nicht einmal der geringste Umweg ohne Folgen für den Versicherungsschutz. Nicht schon allein der Gedanke an die Katze, aber bereits der erste Schritt zum Zweck ihrer Suche sei somit unversichert gewesen.

Merke: (fast) jeder Umweg, Nachsuche nach aus dem Fenster geworfener Dauerkarte „Blau-Weiß“ (egal ob GE oder HH), der Nachbarin/ dem Nachbar, Hund, Katze, Maus, Hamster oder Alf (der die Katze intus hat) beendet den Heimweg und macht den Versicherungsschutz platt. Wenn Du schon so was machst, robbe gefälligst zurück auf den Weg, vergiss bei der Erklärung den obigen Umstand („Suche“) und bleibe unerbittlich dabei: „Auf dem direkten Weg zur Haustür ungeschickt ausgerutscht“ und alles wird gut. Man, was war das denn für´n Anwaltskollege???

Good Night & Good Luck

Ihr / Euer

Dr. Stephan Grundmann

und Team