Streu einfach Glitzer drauf´…….. oder Peter Pan´s Freundin – LAG BaWü 3 Sa 487/16 – Oh Herr – schmeiß Hirn vom Himmel – wie soll das denn gehen? LAG Rheinland-Pfalz zur Einstweiligen bei der Betriebsänderung 6 TaBVGa 2/16 – Da sind wir dabei! Oder doch nicht? Mitbestimmung bei der Anrechnung von Tariflohnerhöhungen BAG – 1 ABR 6/15 – Drin oder nicht drin? BAG 7 AZR 797/14 – Schmeiß den raus! – Sog. Druckkündigung, hier: Kündigung auf Verlangen der Belegschaft BAG 2 AZR 431/15 – Die kriegen aber nix – oder: kann der Arbeitgeber Mitarbeitergruppen ohne Mitbestimmung von Gehaltserhöhungen ausschließen? BAG, 21.02.2017 – 1 ABR 12/15 – Immerhin mehr Kohle gegriffen – BAG 6 AZR 705/51 – Änderungskündigung ist keine kleine Münze oder wie genau muss das (Änderungs-)Angebot sein? BAG 2 AZR 68/16 – Generalanwalt – Generalanwalt – Kein Erlöschen des Urlaubsanspruchs ohne Möglichkeit zur Ausübung des Anspruchs – EuGH Generalanwalt Tanchev – Rs. C-214/16 „King“ – Sieh mir ruhig über die Schulter – Keyloggernutzung zur Überführung von Vertragsverstößen??  – BAG 2017, 2 AZR 681/16 – Der Hardcore-Trick oder: bist zwar raus, aber woanders must Du´s erst mal tun – BAG 5 AZR 337 /16 – Bezahlbrücke oder nicht? – Überbrückungsleistungen bis zur Rente – BSG B 12 KR/15 R – Wie grob falsch muss es sein? Nichtigkeit einer BR-Wahl? Landesarbeitsgericht Düsseldorf – 10 TaBV 3/17 –

 

Streu einfach Glitzer drauf´…….. oder Peter Pan´s Freundin – LAG BaWü 3 Sa 487/16 

Ich bin der Typ für Verhandlungen. Die Niederungen der Arbeitsgerichte, in den sich die Kollegen im wahrsten Wortsinne „schlagen“, sind nie meins. Ich möchte faire Ergebnisse, die Einigkeit, die Augenhöhe, die pragmatische und betriebsnahe Lösung. Und dafür ist das Arbeitsgericht nicht so der richtige Ort.

Wenn es nicht anders geht, dann haue auch ich mich. Und mitunter sind Verfahren so spannend, dass ich sie gerne führe. ABER NICHT solche:

Der Beklagte hatte eine Stelle für eine Bürofee ausgeschrieben. Unser männlicher Bewerber wurde nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Und da klagte der Herr Bankkaufmann wegen Verstoßes gegen das AGG. Er sei abgelehnt worden, weil er ein Mann sei. Und Feen würden „zumeist als wunderschöne, bezaubernde Frauen“ beschrieben – ich muss gerade an meinen männl. Bankberater denken ….. : sind sie nicht;-).

Ja, sagte das Arbeitsgericht: Ein Teil der Gesellschaft halte Feen tatsächlich für Frauen. Aber es gebe auf dem Stellenmarkt zahlreiche Angebote, bei denen Bürofeen m/w gesucht würden.

Auch WIKIPEDIA sagt zu dem Thema Fee: „“nach romanischer und keltischer Volkssage geisterhafte, mit höheren Kräften begabte Fabelwesen, die sowohl weiblich als auch männlich sein können. Also: kein Geld aus dem AGG.

Übrigens: Das Unternehmen hatte darauf hingewiesen, dass der Bewerber in der Vergangenheit bereits einmal als Handelsvertreter für die Firma tätig gewesen sei, man sich aber im Streit getrennt habe – ach….

Offen sind übrigens noch

„Putzteufel“- soweit ich weiß männlich gesehen (jedenfalls der Teufel oder wir konzentrieren  uns mehr auf das Putzen, das eher weiblich….. lalalalala) –

„Bürotrottel“ – Jerry Lewis –

„Verkaufsgranate“ – Granate ist m.E. neutral –

„Mädchen für alles“ könnte schwierig werden

Harren wir der weiteren Nachrichten von der Arbeitsgerichtsfront.

 

Oh Herr – schmeiß Hirn vom Himmel – wie soll das denn gehen? LAG Rheinland-Pfalz zur Einstweiligen bei der Betriebsänderung 6 TaBVGa 2/16

Da möchte man am liebsten zurufen: „kannst Du bitte mal auf unsere Seite rüber kommen, um unsere Welt ein wenig zu verstehen“. Denn dann haust Du nicht mehr so aberwitzige Entscheidungen raus – lieber Vorsitzender.

Seit Ewigkeiten erhitzen sich die Gemüter an folgender Fragestellung: nach 111, 112 BetrVG muss VOR einer Betriebsänderung eine umfängliche Information  und Beratung mit dem BR stattfinden. Sodann werden Interessenausgleich und ggfs Sozialplan abgeschlossen. Was aber, wenn der Arbeitgeber nicht die Muße hat, sich mit den Kleinkommunisten vom BR;-) über seine bahnbrechende unternehmerische Entscheidung zu unterhalten. Er vielmehr einfach mal macht, kündigt, den Möbelwagen vorfahren lässt, die neuen Vertriebsgebiete verteilt? Dann gibt es zwei Möglichkeiten:

A.   Man erkennt das Recht auf eine Einstweilige Verfügung des BR´s an, mittels derer dem Arbeitgeber die (weitere) Umsetzung vor Abschluss der Verhandlungen untersagt wird.

B.   Man sieht keinen eigenen Anspruch des BR`s und verweist auf den Individualanspruch derer, die von der Änderung betroffen sind, aus § 113 BetrVG

Was ist richtig? Nach der einen Hälfte der LAG´s Lösung A, nach der anderen Hälfte Lösung B. Das BAG musste den Fall, konnte den Fall nie entscheiden, weil Einstweilige in der zweiten Instanz enden. Also kommt es darauf an, in welchem LAG Bezirk man klagt. Einstweilige oder keine Einstweilige……

Jetzt setzt das LAG Rheinland-Pfalz dem Fass die Krone auf:

  1. Bejaht man einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats im Zusammenhang mit der Durchführung einer Betriebsänderung nach 111 BetrVG, kann dieser nur der Sicherung eines Verhandlungsanspruchs dienen, nicht jedoch losgelöst hiervon auf die Untersagung der Betriebsänderung selbst gerichtet sein.
  2. Jedenfalls dann, wenn eine Betriebsänderung bereits durchgeführt worden ist, kann der Betriebsrat seinen Verhandlungsanspruch  nach § 112 BetrVG im Hinblick auf einen beabsichtigten Interessenausgleich nicht mehr durchsetzen und ein im Wege der Einstweilige Verfügung durchzusetzenden Unterlassungsanspruch des Betriebsrats scheidet aus.“

Aha, kurz wirken lassen…. und tatsächlich lautet die Botschaft des LAG Rh-Pf an die Arbeitgeberseite. Macht einfach, dann gibt’s nix mehr zu verhandeln und damit auch keine Einstweilige.

 

Da sind wir dabei! Oder doch nicht? Mitbestimmung bei der Anrechnung von Tariflohnerhöhungen BAG – 1 ABR 6/15

Der Arbeitgeber hatte bei einer zweistufig über zwei Jahre gestreckten Tarifloherhöhung diese bei der ersten Stufe auf die übertarifliche Zulage angerechnet, auf die zweite Stufe nicht.

Dem Betriebsrat kann hier ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zustehen. MERKE: die Nr. 10 soll Verteilungsgerechtigkeit herstellen, wenn es etwas zu verteilen gibt. Liegt demnach eine generelle Maßnahme vor, ändert sich die bisher bestehende Verteilungsrelation durch die Anrechnung und verbleibt innerhalb des Dotierungsrahmens ein Gestaltungsspielraum, hat der BR mitzubestimmen.

Keine Mitbestimmung besteht daher, wenn

  1. Durch die Anrechnung das Zulagenvolumen vollständig aufgebraucht wird. Dann gibt es ja nix mehr zu verteilen, und
  2. Wenn die Erhöhung vollständig und gleichmäßig auf die Zulagen angerechnet wird.

Rechnet er nur teilweise an, hat er den BR zu beteiligen, da Raum für die Mitbestimmung für eine neue Verteilungsentscheidung verbleibt.

Unser Fall hätte der Mitbestimmung bedürfen können, denn es wurde nur teilweise angerechnet. Denn die erste Erhöhung ja, die zweite nicht. Damit war ja in Summe tatsächlich nur eine teilweise Anrechnung gegeben.

Jaaaaa, aber der Arbeitgeber hat sich was Pfiffiges einfallen lassen: nach seiner Darstellung gab es kein einheitliches Konzept für beide Stufen. Erst mit der neuen Entscheidung über die zweite Stufe sei nachträglich eine teilweise Anrechnung heraus gekommen. Das war aber so nicht von vornherein geplant. Die unterschiedliche Anrechnung hat sich aus dem Zufall einer späteren anderen Entscheidung ergeben ???!!!!. Wenn man das streng durchdenkt: stimmt!! Aber im Endeffekt eine schön durchdachte Ungerechtigkeit (evtl…).

 

Drin oder nicht drin? BAG 7 AZR 797/14

Die Befristung endete am 30.9. Am 1.10. sollte eine neue (Zweck-) Befristung beginnen. Der Arbeitgeber übergab a diesem Tage zwei Dokumente, auf denen noch keine Unterschrift war. Der Arbeitnehmer unterzeichnete sogleich beide und gab sie zurück. Am gleichen Tag dennoch setzte er seine Tätigkeit fort. Ein Exemplar mit der Unterschrift erhält er am 11.10, also zehn Tage später.

Ist er jetzt unbefristet drin?

Was wir wissen: Eine Befristung des Arbeitsvertrages bedarf der Schriftform, § 14 Abs. 4 TzBfG. Dazu müssen entweder beide Seiten auf derselben Urkunde unterzeichnen oder jede Seite erhält eine Urkunde auf der die jeweils die für die andere Seite bestimmte Urkunde andere Partei unterzeichnet, 126 I, II BGB.

Die Schriftform wird nicht gewahrt, wenn eine Seite eine nicht unterzeichnete Vertragsurkunde übergibt, die Arbeit aufnimmt und erst zu einem späteren Zeitpunkt die vom Arbeitgeber unterzeichnete Urkunde zugeht. Der Vertrag ist dann nicht durch die einseitige Unterzeichnung, aber durch die Entgegennahme der Arbeitsleitung zustande gekommen. Die Befristung ist mangels Schriftform unwirksam, wodurch der Vertrag als unbefristet gilt, § 16 S. 1 TzBfG.

In einem solchen Fall – fehlende Unterschrift des Arbeitgebers – muss der Arbeitnehmer  nicht davon ausgehen, dass der Vertragsschluss unter dem Vorbehalt beiderseitiger Unterzeichnung steht. Der spätere Zugang der vom Arbeitgeber unterschriebenen Urkunde heilt nicht den Formmangel.

Hätte der Arbeitgeber ein unterzeichnetes Vertragsangebot übergeben und der Arbeitnehmer beginnt ohne Unterschrift von seiner Seite, wäre damit noch kein Vetrag zustande gekommen. Denn durch ein solches Angebot mittelt der Arbeitgeber, dass er nur ein befristetes Vertragsverhältnis begründen will.

 

Schmeiß den raus! – Sog. Druckkündigung, hier: Kündigung auf Verlangen der Belegschaft BAG 2 AZR 431/15

Die Belegschaft verweigerte die Zusammenarbeit mit einem wegen einer außer Dienst begangenen Straftat (Kindesmissbrauch), worauf hin der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer kündigte.

Diese Kündigung auf Verlangen von Seiten der Kunden oder der Belegschaft hat den bezeichnenden Namen „Druckkündigung“. Für sie hat die Rechtsprechung folgende Voraussetzungen erarbeitet:

  1. Das ernstliche Verlangen der Belegschaft oder von Kunden nach Entlassung, verbunden mit der Androhung von Nachteilen. Auf die Berechtigung der Drohung kommt es nicht an. Nur muss der Arbeitgeber sich bei unberechtigter Drohung stärker für den Arbeitnehmer einsetzen.
  2. Der Arbeitgeber hat sich schützend vor den Betroffenen zu stellen und alles Zumutbare zu versuchen, um die Belegschaft von ihrer Drohung abzubringen. Es bedarf eines aktiven Handelns, das darauf gerichtet ist, den Druck abzuwehren. Drohen weiterhin schwere wirtschaftliche Nachteile, kann eine Kündigung gerechtfertigt sein, wenn sie das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel ist, um die Schäden abzuwehren.

In unserem Fall hatten große Teile der Belegschaft gedroht, die Arbeit niederzulegen. Nach Ansicht kann auch das die Kündigung rechtfertigem, wenn daraus schwere wirtschaftliche Schäden drohen.

Aber aus Sicht des BAG gab es andere Möglichkeiten, den Druck abtzuwenden. Solange keine Eigenkündigungen anderer Arbeitnehmer oder Auftragskündigungen von Kunden drohen, hätte der Arbeitgeber die Arbeitnehmer darauf hinweisen müssen, dass ihr Verhalten einen schwerwiegenden, nach Abmahnung ggfs zur Kündigung berechtigenden Vertragsbruch darstellt und dass ihnen für die ausfallende Arbeit kein Entgelt zusteht. Selbst eine moralisch besonders verwerfliche Straftat, die keinen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit hat, lässt diese Pflicht des Arbeitgebers nicht entfallen. Arbeitsrechtliche Sanktionen sind für die begangene Straftat ausgeschlossen. Nicht unwichtig, die Entscheidung. Es wird klar, dass sich das Recht grdsl um Objektivität müht und über Moralanschauungen und soziale Wertungen stellt. Natürlich kann auch ein solches in Recht umschlagen, aber erst wenn eine klare Erheblichkeitsschwelle überschritten wurde. So menschlich nachvollziehbar – jedenfalls für mich – das Unwohlsein der Belegschaft war, so muss man doch daran festhalten, dass diese im Arbeitsverhältnis rechtlich gesehen nichts zu suchen haben.

 

Die kriegen aber nix – oder: kann der Arbeitgeber Mitarbeitergruppen ohne Mitbestimmung von Gehaltserhöhungen ausschlie0en? BAG, 21.02.2017 – 1 ABR 12/15

Die Beteiligten streiten über ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Gehaltserhöhungen. Die Arbeitgeberin vereinbarte mit ihrem Gesamtbetriebsrat im Juni 2011 eine Gesamtbetriebsvereinbarung zum Vergütungssystem. Die Verteilung der Gehaltsanpassung erfolgt nach Nr. 3.3 GBV 2011 leistungsabhängig. Für die Festlegung der individuellen prozentualen Gehaltsanpassung des einzelnen Arbeitnehmers sind die Ergebnisse einer – auf der Grundlage einer bei der Arbeitgeberin geltenden Gesamtbetriebsvereinbarung durchzuführenden – jährlichen Leistungsbeurteilung und seine Position innerhalb der Gehaltsbandbreite maßgebend.

Nachdem das herrschende Unternehmen der Arbeitgeberin erstmals entschieden hatte, alle Arbeitnehmer, die dem Geschäftsbereich „Dow Building Solutions“ (DBS) zugeordnet sind, von der Gehaltsanpassung für das Jahr 2014 auszunehmen, stritten die Beteiligten, ob die Arbeitgeberin den Adressatenkreis der Gehaltsanpassung mitbestimmungsfrei vorgeben kann.

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, dem Betriebsrat stehe bei der Entscheidung, ob Arbeitnehmer eines bestimmten Geschäftsbereichs von der Gehaltsanpassung ausgenommen werden, kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu. Die Arbeitgeberin hat beantragt festzustellen, dass die dem Geschäftsbereich „Dow Building Solutions“ zugeordneten Arbeitnehmer der Arbeitgeberin am Standort R von der Gehaltsrunde 2014 ausgeschlossen werden dürfen, ohne dass dem Betriebsrat des Werks R insoweit ein Mitbestimmungsrecht zusteht. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Arbeitgeberin stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat ihn abgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihr Antragsbegehren weiter.

Der Antrag ist unbegründet. Dem Betriebsrat steht bei der Entscheidung, ob im Betrieb tätige Arbeitnehmer eines Geschäftsbereichs von einer Gehaltsanpassung ausgenommen werden, ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung, mitzubestimmen. Entlohnungsgrundsätze iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG sind die abstrakt-generellen Grundsätze zur Lohnfindung. Sie bestimmen das System, nach welchem das Arbeitsentgelt für die Belegschaft oder Teile der Belegschaft ermittelt oder bemessen werden soll. Entlohnungsgrundsätze sind damit die allgemeinen Vorgaben, aus denen sich die Vergütung der Arbeitnehmer des Betriebs in abstrakter Weise ergibt.

Der tarifungebundene Arbeitgeber kann kollektivrechtlich das gesamte Volumen der von ihm für die Vergütung der Arbeitnehmer bereitgestellten Mittel mitbestimmungsfrei festlegen. Bei der Verteilung der Gesamtvergütung hat der nicht tarifgebundene Arbeitgeber einen Entscheidungsspielraum, bei dessen Ausgestaltung der Betriebsrat mitzubestimmen hat. Die Betriebsparteien haben für die gesamten Vergütungsbestandteile Entlohnungsgrundsätze iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG aufzustellen, durch die eine am Normzweck des Mitbestimmungsrechts ausgerichtete Verteilung erfolgt. Dabei unterliegt nicht nur die Einführung, sondern auch die Änderung der im Betrieb für die Verteilung der Gesamtvergütung aufgestellten Entlohnungsgrundsätze dem Mitbestimmungsrecht.

Nach diesen Grundsätzen unterliegt die Entscheidung, ob im Betrieb tätige Arbeitnehmer eines Geschäftsbereichs von einer Gehaltsanpassung ausgenommen werden, dem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.

Die Entscheidung der Arbeitgeberin, Arbeitnehmer bestimmter Geschäftsbereiche von einer Gehaltsanpassung auszunehmen, führt zu einer Änderung der im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätze. Sie hat zur Folge, dass sich der relative Abstand der jeweiligen Vergütungen der Arbeitnehmer des Betriebs zueinander ändert. Das ist nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtig.

Nimmt die Arbeitgeberin Mitarbeiter eines bestimmten Geschäftsbereichs von der Umsetzung einer nachfolgenden Gehaltsanpassung im Betrieb aus, sind deren Gehälter von einer weiteren prozentualen Steigerung – wie sie dem neuen Verteilungsschlüssel entspräche – ausgeschlossen. Dies hat zugleich zur Folge, dass sich der relative Abstand der jeweiligen Vergütungen der Arbeitnehmer im Betrieb zueinander zwischen derjenigen Arbeitnehmergruppe, die von der Gehaltsanpassung ausgenommen wurden, und den übrigen Arbeitnehmern, für die aufbauend auf den bisherigen Entlohnungsgrundsätzen der vorangegangenen Betriebsvereinbarung eine Steigerung um neue, weitere vH-Sätze vereinbart werden soll, ändert.

Die Arbeitgeberin kann nicht mit Erfolg geltend machen, sie könne den Adressatenkreis der Gehaltsanpassung mitbestimmungsfrei vorgeben. Zwar kann der Arbeitgeber bei einer freiwilligen Leistung grundsätzlich mitbestimmungsfrei darüber entscheiden kann, ob er die Leistung gewährt, welchen Dotierungsrahmen er dafür zur Verfügung stellen will und an welchen Empfängerkreis er diese zu erbringen bereit ist. Die Arbeitgeberin stellt allerdings bei einer Gehaltsanpassung nicht erstmals ein bestimmtes Volumen für einen bestimmten Leistungszweck zur Verfügung, sondern erhöht dadurch lediglich das auch schon bisher für die Vergütung der Arbeitnehmer bereitgestellte gesamte Dotierungsvolumen. Der letzte Satz des BAG ist allerdings Unfug. „Der ArbeitgeBer kann mitbestimmungsfrei …. entscheiden,…. an welchen Empfängerkreis er leisten will“. Vergütungsgrundsatz ist doch auch die Herausnahme.???

 

Immerhin mehr Kohle gegriffen – BAG 6 AZR 705/51

Im Vertrag heißt es: „Für die Kündigung gilt eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Monatsende“. Dem Mitarbeiter wurde bereits in der Probezeit mit zweiwöchiger Kündigungsfrist – wie das im Gesetz für den Fall der Probezeit vorgesehen ist – § 622 Abs. 3 BGB – gekündigt. Nun meint natürlich der Beklagte: „is doch klar, da steht extra, dass wir ne Probezeit haben. Und in der ist schon kraft Gesetzes eine kürzere Kündigungsmöglichkeit vorgesehen. Und weiter ist doch klar, dass die sechs Wochen nur für Kündigungen nach der Probezeit gelten kann“. Das hat wohl das Arbeitsgericht in der ersten Instanz auch so gesehen, das LAG sah das anders und wir sind wegen der paar Kröten – aus Arbeitgebersicht – jetzt beim BAG gelandet. Und da beginnt die Entscheidung mit dem verheißungsvollen Satz: „Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es deshalb darauf an, wie der Vertrag bzw. seine einzelnen Klauseln nach der nichtjuristischen Laiensphäre zu verstehen sind“.

Juchhe: „Aus der Sicht des verständigen, nicht rechtskundigen DURCHSSCHNITTLICHEN ARBEITNEHMERS ENTGHÄLT DER VOM ARBEITGEBR VORFORMULIERTE Arbeitsvertrag nur eine einzige Kündigungsfristenregelung. Mangels eindeutigen Hinweises darauf, dass in der Probezeit eine andere gelten soll, gilt diese eben auch in der Probezeit. Ohne jegliche Regelung gilt Gesetz. Erfolgt ein konkreter Hinweise auf die Kündigungsfrist während des Vertrages gilt mangels weitere Hinweise auf einen Unterscheid „Probezeit“ und danach eben diese. „Dies gilt umso mehr, als der vom Beklagten vorformulieret Vertrag außerordentlich komplex ist und zahlreich verästelte Regelungen enthält“.

ALSO: unser Kläger konnte auch in der Probezeit auf die Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Monatsende bestehen, was ihm zumindest nochmals extra Geld brachte. MIT RECHT J.

 

Änderungskündigung ist keine kleine Münze oder wie genau muss das (Änderungs-)Angebot sein? BAG 2 AZR 68/16

Der Mitarbeiter war im Unternehmen als Elektrotechniker mit Softwareerstellung und Projektbetreuung befasst. Nach einem Unfall war er aus Sicht des Arbeitgebers dazu nicht mehr in der Lage. Er sprach eine Änderungskündigung aus, in welcher er für den neuen Vertrag festhielt:

„Das Aufgabengebiet umfasst alle Arbeiten im Lager, vorrangig Fahrer- und Kuriertätigkeiten. Hierzu gehören u.a. das Be- und Entladen von Baustellen- oder sonstigem Material in und von Transportfahrzeugen, Staplerfahren sowie allgemeine Lagertätigkeit.“

Neues Brutto 8,51?

Halt Dich fest: Arbeits- und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Die Revision, also das etwas schlauere BAG, haben ihr aus ZWEI GRÜNDEN statt gegeben.

  1. Die Kündigung an sich war bereits unwirksam, weil trotz des Unfalls nicht dargetan war, dass er innerhalb des alten Aufgabenbereichs nicht doch noch andere Aufgaben als Programmieren hätte abdecken können.
  2. Das Änderungsangebot war zu unkonkret. Es ging für unseren Programmierer nicht klar genug hervor, worin seine Tätigkeit in Zukunft genau bestand. Im Endeffekt war beispielhaft nur ein Teil der Aufgaben, nicht aber die Arbeitstätigkeit an sich beschrieben worden.

Was hätte man besser machen müssen oder anders gesagt: wann wäre eine Anhörung des BR´s ein „sauberer“ Änderungskündigungsfall?

  1. Wirksame Kündigung des alten Vertrages, verhaltens-, betriebs- oder personenbedingt. Die üblichen Voraussetzungen für eine Kündigung – hier die Unmöglichkeit der weiteren Ausübung des Jobs als Elektrotechniker – müssen bewiesen werden. Hier hatte der Arbeitgeber nicht dargelegt, dass er den Mitarbeiter gar nicht mehr vertragsgemäß beschäftigen kann. Damit wäre an sich schon Ende der Veranstaltung gewesen. Angenommen, dass wäre gelungen.
  2. Dann wäre weiter zu prüfen gewesen, ob ein so konkretes Angebot auf Abschluss eines neuen Vertrages vorgelegen hat, welches nur durch ein einfaches Ja hätte angenommen werden können. Und
  3. Alle Änderungen – alle – des neuen Arbeitsvertrages hätten erforderlich und verhältnismäßig sein müssen. Hier insbesondere der neue Stundenlohn von 8,61?….

Generalanwalt – Kein Erlöschen des Urlaubsanspruchs ohne Möglichkeit zur Ausübung des Anspruchs EuGH Generalanwalt Tanchev – Rs. C-214/16 „King“

Der EuGH muss sich im Rahmen eines vom Court of Appeal (England & Wales) vorgelegten Vorabentscheidungsersuchen mit der Frage befassen, ob das Recht auf bezahlten Jahresurlaub erlöschen kann, wenn der AN nicht die Möglichkeit erhalten hat, dieses Recht wahrzunehmen. Nach Ansicht des Generalanwalts erlischt der Anspruch nicht:

Wenn der AN den ihm zustehenden Jahresurlaub in dem Bezugszeitraum, in dem ein Anspruch auszuüben ist, ganz oder teilweise nicht nimmt, den Urlaub aber genommen hätte, wenn nicht der AG die Vergütung für genommene Urlaubszeiten verweigern würde, kann der AN geltend machen, dass er an der Ausübung seines Anspruchs auf bezahlten Urlaub gehindert ist, so dass der Anspruch so lange übertragen wird, bis der AN die Möglichkeit zur Ausübung des Anspruchs hatte.

Erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses können die im mitgliedstaatlichen Recht angeordneten zeitlichen und sonstigen Beschränkungen der Ausübung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub auf den dann bestehenden Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den bezahlten Jahresurlaub zur Anwendung kommen, sofern diese Beschränkungen nicht die Grenzen des den Mitgliedstaaten nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 zustehenden Ermessens überschreiten und im Übrigen mit dem Unionsrecht in Einklang stehen.

Im Fall einer Streitigkeit zwischen einem AN und einem AG über die Frage, ob der AN Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub hat, ist es nach Ansicht des Generalanwalts mit dem Unionsrecht und insbesondere mit dem Grundsatz eines wirksamen Rechtsbehelfs nicht vereinbar, wenn der AN zunächst Urlaub nehmen muss, ehe er feststellen kann, ob er Anspruch auf Bezahlung hat.

Sieh mir ruhig über die Schulter – Keyloggernutzung zur Überführung von Vertragsverstößen??  – BAG 2017, 2 AZR 681/16

Software-Keylogger, mit denen Tastatureingaben an dienstlichen Computern für eine verdeckte Überwachung und Kontrolle von Arbeitnehmern aufgezeichnet werden, sind nach § 32 Abs. 1 BDSG ohne konkreten schweren Verdacht unzulässig.

Der Einsatz eines Software-Keyloggers, mit dem alle Tastatureingaben an einem dienstlichen Computer für eine verdeckte Überwachung und Kontrolle des Arbeitnehmers aufgezeichnet werden, ist nach § 32 Abs. 1 BDSG unzulässig, wenn kein auf den Arbeitnehmer bezogener, durch konkrete Tatsachen begründeter Verdacht einer Straftat oder einer anderen schwerwiegenden Pflichtverletzung besteht. Der klagende Arbeitnehmer war bei der Arbeitgeberin seit dem Jahr 2011 als „Web-Entwickler“ beschäftigt. Bei der Freigabe eines Netzwerks teilte die Arbeitgeberin ihren Arbeitnehmern im April 2015 mit, dass der gesamte „Internet-Traffic“ und die Benutzung ihrer Systeme „mitgeloggt“ werde. Die Arbeitgeberin installierte auf dem Dienst-PC des Arbeitnehmers eine Software. Diese protokollierte sämtliche Tastatureingaben und fertigte regelmäßig Bildschirmfotos (Screenshots). Nach Auswertung der mit Hilfe dieses Keyloggers erstellten Dateien fand ein Gespräch mit dem Arbeitnehmer statt. In diesem räumte er ein, seinen Dienst-PC während der Arbeitszeit privat genutzt zu haben. Auf schriftliche Nachfrage gab er an, nur in geringem Umfang und in der Regel in seinen Pausen ein Computerspiel programmiert und E-Mail-Verkehr für die Firma seines Vaters abgewickelt zu haben. Die Arbeitgeberin, die nach dem vom Keylogger erfassten Datenmaterial davon ausgehen konnte, der Arbeitnehmer habe in erheblichem Umfang Privattätigkeiten am Arbeitsplatz erledigt, kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich.

Nachdem die Vorinstanzen der Kündigungsschutzklage stattgegeben haben, hatte auch die Revision der Arbeitgeberin keinen Erfolg. Die durch den Keylogger gewonnenen Erkenntnisse über die Privattätigkeiten des Arbeitnehmers dürfen im gerichtlichen Verfahren nicht verwertet werden. Die Arbeitgeberin hat durch dessen Einsatz das als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gewährleistete Recht des Arbeitnehmers auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) verletzt. Die Informationsgewinnung war nicht nach § 32 Abs. 1 BDSG zulässig. Die Arbeitgeberin hatte beim Einsatz der Software gegenüber dem Arbeitnehmer keinen auf Tatsachen beruhenden Verdacht einer Straftat oder einer anderen schwerwiegenden Pflichtverletzung. Die von ihr „ins Blaue hinein“ veranlasste Maßnahme war daher unverhältnismäßig. Die vom Arbeitnehmer eingeräumte Privatnutzung rechtfertigte die Kündigungen mangels vorheriger Abmahnung nicht.

 

Der Hardcore-Trick oder: bist zwar raus, aber woanders must Du´s erst mal tun – BAG 5 AZR 337 /16

Bedenke 615 S. 2 BGB! Was ist das? Das Gesetz bemüht sich – nochmals: bemüht sich – um Gerechtigkeit. Und bei 615 BGB sieht das so aus: nimmt der Arbeitgeber die angebotene Arbeitsleitung nicht an, muss er gleichwohl zahlen = ANNAHMEVERZUGSLOHN! Stellt sich bei einer Klage gegen die Kündigung die Unwirksamkeit der Kündigung heraus, war der Arbeitgeber automatisch im Annahmeverzug und hat den gesamten Lohn nachzuzahlen. Der Annahmeverzug besteht allein schon aufgrund der Kündigung. Jetzt kommt der Arbeitgeber:

§ 615 S. 2 BGB bestimmt, dass der Arbeitnehmer sich auf das Arbeitsentgelt, was ihm für die Zeit nach der Kündigung zusteht, das anrechnen lassen muss, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassenhätte, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen.

Hä? Gemeint ist: Dein Arbeitgeber will Dich zwar nicht und muss zur Strafe zahlen.

ABER: Wenn Du in dieser beschäftigungslosen Zeit (nachweislich) doch was anderes Zumutbares hättest machen können, dann bist Du so zu behandeln, als hättest Du verdient und dieser fiktive Verdienst wird Dir abgezogen.

Das gilt nur, wenn Du es böswillig unterlassen hast. Wann ist das der Fall? Wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich ohne ausreichenden Grund Arbeit ablehnt oder vorsätzlich verhindert, dass ihm Arbeit angeboten wird. Die vorsätzliche Untätigkeit muss vorwerfbar sein. Dabei genügt das vorsätzliche außer Acht lasen einer dem Arbeitnehmer bekannten Gelegenheit zur Erwerbsarbeit. Diese muss auch zumutbar sein. Dafür sind die Umstände des Einzelfalls maßgebend. Eine Unzumutbarkeit kann sich aus der Person des Arbeitgebers, der Art der Arbeit, vertragsrechtlichen Bedingungen oder den sonstigen Arbeitsbedingungen ergeben.

Allerdings setzt die Aufnahme einer anderen Tätigkeit als Regelfall notwendigerweise ein andere vertragliche Grundlage voraus. Schlechtere Vertragsbedingungen sollen daher eher den Ausnahmefall bilden. Erst Recht muss neben der schlechteren Entgeltleistung in der Gesamtbetrachtung mit anderen Änderungen eine Unzumutbarkeit begründet werden.

Die Vorstellung damit eine Rechtsposition zu gefährden oder genauer einen Anspruch aus einem Betriebsübergang gefährdet zu sehen und deswegen abzulehnen, ist dem Arbeitnehmer als böswilliges Unterlassen vorwerfbar.

Der Kl war bei der Bekl als SB Chartering mit 38 Stunden, 32 Tagen Urlaub  und ? 6.376,- beschäftigt. Die Beklagte die C mit dem Chartering und kündigte dem Kläger. Zeitgleich bot ihm die vorgenannte C einen Vertrag mit 40 Stunden, 30 Tagen Urlaub und ? 5500 an.

Bezahlbrücke oder nicht? – Überbrückungsleistungen bis zur Rente – BSG B 12 KR/15 R

Ein besonders wichtiger Fall im Bereich der Sozialpläne. Der Arbeitgeber zahlte ein Überbrückungsleistung Richtung Rente. Dem Mitarbeiter war mit Erreichung des 55ten Lebensjahres zugesagt worden, bis zur Rente bereits die Betriebsrente iHv 1.327,-? zu erhalten. Nach einiger Zeit nahm er weder eine versicherungspflichtige Tätigkeit auf. Die Krankenversicherung verlangt nun Beiträge von dieser Leistung. Das BSH hat nun in der Revision zugunsten des Mitarbeiters entschieden.

Bereits in einer Vorentscheidung hatte das BSG festgestellt, dass Leistungen, die ein Arbeitgeber an einen Arbeitnehmer nach dessen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zur Überbrückung der Zeit bis zum Renteneintritt zahlt, keine beitragspflichtigen Versorgungsbezüge sind, wenn für den Leistungsbeginn auf ein Lebensalter abgestellt wird, das nach der Verkehrsanschauung typischerweise nicht schon als Beginn des Ruhestands gelten kann und diese Zuwendung bis zum Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand befristet ist.

Das gilt nun auch für unbefristete Leistungen, solange der Überbrückungszweck der Leistung im Vordergrund steht. Das kann jedoch nur bis zum Renteneintritt, längstens bis Erreichung Regelaltersgrenze der Fall sein.

Demnach sind Überbrückungsleistungen immer beitragsfrei, wenn sie als Brücke Richtung Rente dienen und der Rentenanspruch noch nicht besteht.

Wie grob falsch muss es sein? Nichtigkeit einer BR-Wahl? Landesarbeitsgericht Düsseldorf – 10 TaBV 3/17 –

Bei der Arbeitgeberin, einer Firma aus der Sicherheitsbranche mit ca. 60 Mitarbeitern, gab es keinen Betriebsrat. Am 24.02.2016 fand eine Versammlung mit 27 Arbeitnehmern statt, in der ein Wahlvorstand gewählt wurde. Für den 04.03.2016 wurde die zweite Wahlversammlung zur Wahl des Betriebsrats angekündigt.

Der Wahlvorstand ging vom vereinfachten Wahlverfahren für Kleinbetriebe (§ 14 a Betriebsverfassungsgesetz) aus. Wahlunterlagen wurden nicht verschickt, sondern den einzelnen Arbeitnehmern vom Wahlvorstand überreicht. Die Arbeitnehmer hatten die Möglichkeit, den Stimmzettel sofort auszufüllen. In diesem Fall nahm der Wahlvorstand die Stimmzettel wieder mit. Nachdem das Ergebnis der Wahl bekannt war, focht die Arbeitgeberin die Wahl am 15.03.2016 vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf an. Diesen Antrag nahm sie zurück.

Die Arbeitgeberin begehrte in einem weiteren Verfahren die Feststellung der Nichtigkeit der Wahl. Der Antrag hatte vor dem Arbeitsgericht keinen Erfolg. Es lägen keine so offensichtlichen und groben Verstöße gegen wesentliche Grundsätze des Wahlrechts vor, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr bestehe. So folge z.B. aus der Anwendung des ggfs. falschen Wahlverfahrens (hier für Kleinbetriebe trotz angeblich fehlender erforderlicher Zustimmung der Arbeitgeberin) keine Nichtigkeit. Soweit der Wahlvorstand in einzelnen Fällen die Stimmabgabe möglicherweise beeinflusst habe, führe dies nicht zur Nichtigkeit. Da mangels wirksamer Bekanntgabe des Wahlergebnisses die Anfechtungsfrist lief, hat das Arbeitsgericht die Wahl erstinstanzlich für unwirksam erklärt. Es lägen mehrere Fehler vor, die geeignet waren, das Wahlergebnis zu beeinflussen: u.a.: Briefwahl für alle Arbeitnehmer und Unklarheit des Wahlausschreibens, wie viel Betriebsratsmitglieder zu wählen sind.

Mit ihrer Beschwerde gegen den zurückgewiesenen Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl hatte die Arbeitgeberin vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf keinen Erfolg. Gründe, die offensichtlich die Nichtigkeit der Wahl zur Folge hätten, sind nicht vorhanden. Damit wendet das Landesarbeitsgericht Düsseldorf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an, das die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl bei einer ausschließlich summarischen Fehlerbetrachtung verneint. Da die Anfechtung der Betriebsratswahl nicht angegriffen worden ist, führt diese zur Unwirksamkeit der Betriebsratswahl nur für die Zukunft, während bei festgestellter Nichtigkeit ein Betriebsrat zu keiner Zeit existiert hätte.

Good Night & Good Luck

Ihr / Euer Dr. Stephan Grundmann